Lust und Gefahr
bewusst wieder an sich, denn er wollte nicht, dass die Innigkeit dieses Augenblicks schon vorüber war. »Fang am Anfang an und erzähl mir, was heute Nacht hier passiert ist«, sagte er. Sie räusperte sich. »Irgendetwas hat mich geweckt. Der Strom war ausgefallen, also bin ich aufgestanden. Und da habe ich gemerkt, dass jemand im Haus ist und die Treppe raufkommt. Das hat mich so erschreckt, dass ich aus dem Fenster geflohen bin.«
»Hattest du die Alarmanlage eingeschaltet, bevor du zu Bett gegangen bist?«
»Natürlich! Aber sie ist nicht losgegangen.«
Max nahm sich vor, die Anlage gründlich durchchecken zu lassen. »Ich weiß, dass es in letzter Zeit ein paar Vorfälle gab und dass du einige unschöne E-Mails erhalten hast.«
»Woher weißt du das?«
»Wir hatten Probleme in der Firma. Also habe ich ein Unternehmen engagiert, um die Risiken und Schwachstellen feststellen zu lassen.«
»Und man hat mich als Risiko eingestuft?« Sie klang verletzt.
»Sie haben alle Mitarbeiter und Teilhaber überprüft, Ellie. Inklusive aller Polizeiberichte, Führungszeugnisse, staatlicher Urkunden – reine Routine. Ich weiß über den Stalker Bescheid. Glaubst du, dass ein Zusammenhang zwischen den Vorfällen besteht?« Einen Moment lang fürchtete er, dass sie ihm nicht antworten würde. Doch dann nickte sie. »Der Kerl hat heute Nacht etwas gesagt, das er auch in seinen Nachrichten an mich geschrieben hat.«
»Was sind das für Nachrichten?«
»Die Cyber-Version von obszönen Anrufen – ›Ich-stelle-mir-vor-wie-dunackt-aussiehst‹ und solche Sachen.« Ich bringe ihn um, dachte Max. »Wann hat das alles angefangen?«
»Vor drei Wochen.« Sie strich sich über die Stirn.
Ungefähr zur selben Zeit hatten die Medienberichte über ihre Aktienanteile begonnen, überschlug er. »Warum hast du so lange damit gewartet, zur Polizei zu gehen?«
»Ich habe es vor mir hergeschoben, bis …« Ihre Stimme erstarb.
»Bis was? Du kannst mir ruhig alles sagen.«
»Er hat mir ein Foto geschickt, auf dem ich im Coffeeshop zu sehen bin. Kaum eine Stunde vorher bin ich erst dort gewesen. In seiner letzten Nachricht stand, dass er mich gern beim Schlafen beobachten würde.« Sie ließ die Schultern sinken. »Er weiß offensichtlich, dass ich in New York lebe, also dachte ich, ich wäre hier sicher.«
»Wer wusste, dass du nach Rockport fahren wolltest?«
»Niemand. Es war eine Entscheidung in letzter Sekunde, und es war schon spät, als ich das Penthouse verlassen habe.« Nun blickte sie ihm in die Augen. »Woher weißt du überhaupt, wohin ich gefahren bin?«
»Vom Limousinen-Service.« Und es war erstaunlich leicht gewesen, an diese Information zu kommen. Wer hatte es noch herausgefunden?
»Aber woher wusstest du, dass ich Hilfe brauchte?«
»Das wusste ich nicht. Um ehrlich zu sein, bin ich hergekommen, weil ich wütend war, dass du einfach aus Boston abgehauen bist.« Er konnte spüren, wie ihre Anspannung wuchs, doch er wollte das Thema nicht einfach so fallenlassen. Es war besser, alles offen auszusprechen. »Ich war nicht gerade begeistert, Bridgette heute im Penthouse anzutreffen. Ich habe sie nicht eingeladen.«
Abwehrend hob sie die Hand. »Ich hätte nicht …«
»Ich habe deine Nachricht gefunden, El.«
Schweigen. Sie zog die Decke enger um sich, rückte von ihm ab und versuchte, seitwärts von seinem Schoß zu rutschen. Aber Max hielt sie fest.
»Tja, das ist mir alles sehr unangenehm«, sagte sie schließlich. »Mein Verhalten im Penthouse war vollkommen unangemessen, Max. Mir war nicht klar, dass du und Bridgette verlobt seid.«
»Gott! Wir sind nicht verlobt. Wir sind überhaupt nicht zusammen, wenn du es genau wissen willst. Unglücklicherweise hat Bridgette sich mit einem Reporter unterhalten. Du weißt offenbar, was geschrieben wurde. Du hast es ja zitiert.« Eine Nacht. Keine Verpflichtungen, keine Bedingungen, nur Sex.
Es hatte ihm nicht gefallen, mit seinem anrüchigen Motto konfrontiert zu werden – und schon gar nicht von Ellie. Also hatte er sich auf die ersten beiden Worte konzentriert. Eine Nacht. Als er und Ellie zusammen gewesen waren, war ihre gemeinsame Zeit viel zu kurz gewesen. Verflucht, in dem Sommer hatten sie höchstens sechs Mal miteinander geschlafen. Alles hatte sich gegen sie verschworen: Zuerst hatten sie keinen ungestörten Moment gehabt, und dann hatte das Schicksal zugeschlagen. Eine Nacht wäre bei weitem nicht genug, um all das Bedauern und die verlorenen Jahre
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