Lust und Gefahr
nachlässiger sortierten Regal in der Nähe des Schreibtisches. Die Bücher, die darin standen, waren abgenutzt, oft gelesen. Geliebt. In einem der Bücher steckten Zettel mit Eselsohren. Sie las die Titel. Es waren Max’ Bücher. Jacht-Design. Vorschriften für Außenbordmotoren. Rennboote. Sie lächelte und erinnerte sich daran, wie sie in jenem Sommer gemeinsam Boot gefahren waren. Während ihre Freunde die Sonne genossen und Partys gefeiert hatten, hatte Max ihr verschiedene Bootstypen erklärt und über die Formen von Schiffsrümpfen erzählt, als würde er über den Körper einer geliebten Frau reden. Er hatte davon gesprochen, Boote zu entwerfen – Jachten –, und hatte ihr ein paar seiner Skizzen gezeigt.
Scherzhaft hatte er ihr vorgeschlagen, die Innenausstattung der Boote zu übernehmen, die er bauen würde. »Wir würden ein großartiges Team abgeben.« Damit hatte er so falschgelegen.
Als sie Schritte im Flur hörte, drehte sie sich um. Max kam zu ihr.
»Du hast mein Lieblingszimmer gefunden«, sagte er. »Also, was hältst du von dem Haus?«
Ellie wandte sich um und nickte langsam. »Ja, äh … Es ist wirklich schön.«
»Du klingst überrascht.«
Sie versuchte, ihre Reaktion abzuschwächen. »Ich habe Geschichten gehört …«
»Über die Orgien?« Er lachte leise. »Die Schwester meiner Mutter hat damit angefangen.«
»Warum hat sie das getan?«
»Um eine der Nachfolgerinnen meiner Mutter an Dads Seite zu ärgern. Nach San Regale hat mein Vater sich ursprünglich immer zum Angeln zurückgezogen. Bis meine Mutter kam. Mein Vater hat erzählt, dass sie die Insel nur einmal besucht hat – und das Nächste, an was er sich erinnern konnte, war, dass sie ein Haus bauen ließ. Jede weitere Ehefrau hat die Baumaßnahmen vorangetrieben, bis mein Dad schließlich einfach die Frauen von der Insel verbannt hat.«
»Ich wette, die Gerüchte über die Orgien haben ihre Wirkung bei der verbannten Nachfolgerin nicht verfehlt.«
»Genau.« Er ging zu der Bar, die in der Ecke stand. »Ich weiß, dass du in Charleston schon zu Abend gegessen hast, aber ich dachte, wir könnten später trotzdem noch ein paar Häppchen zu uns nehmen. Wein?«
Bevor sie etwas erwidern konnte, klingelte Max’ Handy. Er holte es hervor und warf einen Blick auf das Display. »Sorry. Ich muss rangehen.«
Sie nickte. »Eigentlich würde ich sowieso gern duschen und mich dann umziehen. Es war ein langer Tag.« Er meldete sich am Telefon mit einem knappen »Ich rufe Sie gleich zurück«. Dann legte er wieder auf und begleitete Ellie ins Foyer. »Deine Sachen sind oben im Gästezimmer. Es hat einen kleinen Balkon und ein Bad.« Wieder zog er ihre Hand an seine Lippen, doch diesmal hauchte er einen Kuss in ihre Handfläche und schloss dann ihre Finger darüber. »Wir treffen uns in einer Stunde auf der Terrasse.«
Als Ellie ihr Zimmer erreichte, schloss sie die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Sie teilten sich also kein Zimmer. War sie darüber erleichtert oder enttäuscht?
Ihr Blick fiel auf das Bett, die Verkörperung der alles entscheidenden Frage: Wo würden sie es tun? In seinem Zimmer? In ihrem? Sie hatte ein französisches Bett. Angemessen. Aber sie erinnerte sich an Max’ Suite im Penthouse. Darin hatte ein sehr breites Doppelbett gestanden. Eine beeindruckende Spielwiese. Etwas für Profis. Nicht für Amateure.
Zum x-ten Mal wünschte sie sich, sie wäre erfahrener. Sexuell raffinierter. An ihr nagte die Vermutung, dass Kennst du einen, kennst du alle auf einen ziemlich großen Teil der Bevölkerung zutraf. Die jämmerliche Wahrheit war jedoch, dass sie während ihrer Ehe nur sehr wenig praktische Erfahrung hatte sammeln können. Stefan hatte sich in der ersten Nacht ihrer Flitterwochen sehr enttäuscht von ihr gezeigt und sie tränenüberströmt zurückgelassen, während er nach ein wenig mehr »Action« gesucht hatte. Er hatte ihr vorgeworfen, nicht aufregend genug zu sein, um sein Interesse zu wecken. Und er hatte sie unter Druck gesetzt, weil sie Max unmittelbar vor ihrer Hochzeitsfeier geküsst hatte. Max war betrunken gewesen und auf der Suche nach Stefan in ihr Zimmer geplatzt. Er hatte sie angesehen und sie plötzlich in seine Arme gezogen. Wenn Stefan nicht hereingekommen wäre … Wohin hätte dieser Kuss geführt?
Nirgendwohin. Als Max wieder nüchtern gewesen war, hatte er nie wieder ein Wort über diesen Kuss verloren. Vermutlich hatte er ihn vergessen. Stefan hingegen hatte nicht zugelassen,
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