Lust und Gefahr
dankenswerterweise um alles gekümmert. Wein, Kanapees, Kerzen, Rosen. Er warf einen Blick auf seine Uhr und stellte fest, dass ihm keine zehn Minuten mehr blieben. Die Zeit reichte nicht, um noch zu duschen und sich zu rasieren.
Er strich sich über sein stoppeliges Kinn. Wenn er Ellie küsste, würde er also vorsichtig sein müssen. Und er hatte ganz bestimmt vor, sie zu küssen.
Er schenkte sich noch einmal Wein nach und ging über die Veranda, um in die Dunkelheit hinauszublicken. Die Rufe der Laubfrösche und das Zirpen der Zikaden klangen durch die Nacht – ihre Lieder wurden mit der Meeresbrise herübergeweht. Für gewöhnlich beruhigten die Geräusche der Nacht Max.
Doch heute nicht. Er war aufgewühlt, und mit jeder Sekunde nahm seine Anspannung zu. Er streifte am Geländer entlang, und sein Blick huschte von Schatten zu Schatten.
Seine Gedanken wirbelten durcheinander, was fast komisch war, da Max von sich selbst behauptete, ein sehr klar denkender Mensch zu sein. Er hatte seine strategischen Fähigkeiten zu einer Perfektion vervollkommnet, die ihm sehr nützlich war. Was das Geschäft betraf, war er vollkommen emotionslos.
Das Problem war … Ellie war kein »Geschäft«. Nicht mehr. Diese Grenze hatten sie überschritten, und es gab kein Zurück mehr. In der Vergangenheit hatte er Distanz zu Ellie wahren können, indem er nur in geschäftlicher Beziehung über sie nachgedacht hatte. Er hatte sich sogar selbst einreden wollen, dass es ihm bei der Reise nach Boston lediglich darum gegangen war, mit ihr zu sprechen und die Kontrolle über ihre Aktienanteile zu behalten. Rein geschäftliche Absichten. Bis er ihre Nachricht im Penthouse gefunden hatte. Eine Nacht. Nach dem Zwischenfall im Strandhaus dann hatte er sich weismachen wollen, dass es um ihre Sicherheit ging. Bis er sie nackt in seinen Armen gehalten hatte. Mit einem Mal kehrten alle Erinnerungen, alle Phantasien, alles Bedauern, einfach alles, was er in den Jahren verdrängt hatte, zurück. Vom ersten Moment an, als Max Ellie getroffen hatte, hatte er gewusst, dass sie etwas Besonderes war. Unglücklicherweise war er zu dumm gewesen, um auch danach zu handeln. Angesichts der Erfolgsgeschichten seiner Eltern auf dem Weg zum Altar – zu der Zeit brachten die beiden zusammen es auf insgesamt elf Ehen – hatte Max es nicht besonders eilig gehabt, sesshaft zu werden. Der Wunsch seines Vaters, ihm einen männlichen Erben zu schenken – den erstgeborenen Sohn seines erstgeborenen Sohnes –, war auf taube Ohren gestoßen.
Der größte Fehler, den Max jemals begangen hatte, war es, Stefan über seine Gefühle für Ellie zu erzählen. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast glauben, dass es Liebe auf den ersten Blick tatsächlich gibt«, hatte Max damals zugegeben.
Leider waren die beiden Männer nie gut miteinander ausgekommen. Stefan hatte später einen perversen Gefallen daran gefunden, Max bei erster Gelegenheit entgegenzuschleudern, dass er Ellie nur geheiratet hätte, um ihm eins auszuwischen. »Ich bin dankbar, dass du Ellie niemals verraten hast, was du für sie empfindest«, hatte Stefan Max lachend ins Gesicht gesagt. »Du hast es mir leicht gemacht.«
Aber eines Tages – an ihrem Hochzeitstag, um genau zu sein – hätte Max es Ellie beinahe doch noch gesagt. Ein weiterer großer Fehler. Das böse Blut, die Feindseligkeiten zwischen den Halbbrüdern waren danach noch stärker geworden. Die letzten Worte, die die beiden gewechselt hatten, waren im Streit gefallen.
Max hatte Stefan mit seiner Untreue konfrontiert und gedroht, Ellie zu warnen. Die beiden Männer waren auf dem Weg zu einer Vorstandssitzung in den Alpen gewesen. Stefan war gefahren … und hatte den Blick von der Straße gewendet. Als der Wagen von der Straße abgekommen und total zerstört worden war, war er sofort tot gewesen. Max war mit ein paar Schnittverletzungen und Blutergüssen davongekommen – und genügend Schuldgefühlen, um sich von Ellie fernzuhalten.
Jedenfalls so lange, bis die Prozesslawine um Stefans Vermögen ins Rollen gekommen war. Max war der Nachlassverwalter gewesen. Ellie hatte rechtmäßig alles zugestanden, und sie hatte es auch bekommen, während er ihr in geschäftlichen Belangen vorübergehend als Aufsichtsperson an die Seite gestellt worden war. Doch dann hatten die Mütter angeblicher unehelicher Kinder von Stefan ihr Recht eingefordert – vergeblich, denn DNA-Proben hatten letztlich bewiesen, dass keine Vaterschaft bestand.
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