Lust und Gefahr
Sie hatte angenommen, dass er damit diesen Morgen meinte, aber im grellen Licht des Tages holte die Realität sie erbarmungslos ein.
Sie beide waren Geschäftsleute. Es gab Terminpläne, die eingehalten werden mussten. Vereinbarungen mussten getroffen, Kalender aufeinander abgestimmt werden. Für Max traf das noch eher zu als auf sie. Er leitete eine der größten multinationalen Reedereien der Welt. In einem Interview hatte er einmal scherzhaft behauptet, dass der Privatjet sein Büro sei. Was bedeutete, dass er zum Frühstück in New York sein konnte und zum Abendessen in Rotterdam. Da Ellie erst begann, ihre Firma langsam wieder aufzubauen, war ihr Terminplan noch relativ übersichtlich. Ihre erfolgreiche Karriere als Designerin hatte erst einmal auf Eis gelegen, als nach Stefans Tod die Gerichtsverfahren begonnen hatten. Niemand hatte einen Skandal riskieren wollen, weil er mit ihrer Firma in Verbindung gebracht wurde, also war sie von den meisten möglichen Geschäftspartnern gemieden worden. Die einzige Ausnahme war ein Freund gewesen, Peter Fourakis. Erst kürzlich hatte Peter sie sogar gebeten, ihm ein Angebot für die Gestaltung einer Hotelkette zu machen – eine Riesenchance, doch die Abgabe für das Konzept war erst in einem Monat fällig. Obwohl sie nicht besonders viele Termine hatte, war es also durchaus möglich, dass Wochen vergingen, bis ihre Vereinbarung mit Max besiegelt wäre. Wenn man es so betrachtete, erschien ihr der Deal als … oberflächlich. Und das war nicht das, was sie sich eigentlich erhofft hatte.
Nachdem sie geduscht und sich umgezogen hatte, kochte Ellie Kaffee. Gerard kam zu ihr in die Küche und bot ihr an, den Verband an ihrem Fuß zu wechseln. Dankend nahm sie seine Hilfe an. »Die Wunde sieht schon viel besser aus«, sagte er. »Nicht so schlimm, wie ich anfangs befürchtet habe.«
»Das sind doch gute Neuigkeiten.«
»Übrigens hat Mr. DeLuca versucht, Sie zu erreichen. Er hat Ihnen eine E-Mail geschickt. Es geht um Ihren Terminplan. Hatten Sie schon die Möglichkeit, sie zu lesen?«
Ellie wollte ihre Tasse zur Seite stellen und verschüttete ein wenig Kaffee, als sie beinahe den Tisch verpasste. Max hatte ihr bereits einen Terminvorschlag geschickt? »Nein, ich habe sie bisher noch nicht gelesen, aber ich werde meine Mails gleich checken.«
Zehn Minuten später loggte sie sich in ihren E-Mail-Account ein. Siebenundvierzig neue Nachrichten. Sie scrollte runter und hielt unwillkürlich den Atem an, weil sie fast eine neue Drohung darunter befürchtete. In der vergangenen Nacht hatte sie Max ihr E-Mail-Passwort gegeben, damit die Polizei ihren Account nach neuen Nachrichten durchsehen konnte. Doch zu wissen, dass Big Brother sie beobachtete, konnte sie auch nicht wirklich beruhigen.
Ohne die üblichen Spammails zu beachten, scrollte sie weiter runter und suchte Max’ Nachricht. Als sie sie endlich fand, wuchs ihre Ungeduld zunehmend: Beim Prüfen und Öffnen der Mail drehte ihre Antivirensoftware offenbar die Cyber-Däumchen – es schien einfach ewig zu dauern. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was, wenn seine Terminvorschläge praktisch unmöglich waren? Wie weit würde er ihre gemeinsame Woche verschieben? Um Wochen? Oder Monate?
Max’ Nachricht war kurz und überraschend.
Werde Dich heute Nachmittag um drei am Hangar treffen. Pack nur das Nötigste ein. Und viel Sonnencreme. Dein M.
Heute Nachmittag? Er glaubte doch wohl nicht, dass ihre gemeinsame Woche heute beginnen würde? Leicht panisch las sie die Nachricht noch einmal.
Pack nur das Nötigste ein? Sonnencreme? Wohin würden sie fahren? Hatte er in der E-Mail das Ziel ihrer Reise aus Sicherheitsgründen nicht erwähnt? Ihr Blick fiel auf die Uhr. Sie hatte weniger als fünf Stunden Zeit.
Sie klickte auf den Antwort-Button, um in einer E-Mail an Max all die Gründe aufzulisten, warum sie mehr Zeit brauchte. Aber keiner dieser Gründe erschien ihr wirklich zwingend. Sie verschränkte die Hände in ihrem Schoß und starrte auf ihre Fingernägel. Das zu tun, um was Max sie bat, war wahnsinnig impulsiv und unbesonnen. Gott, wann hatte sie das letzte Mal etwas Impulsives getan?
Dummerchen. Versuch es mal mit gestern. Hierherzukommen und diese Nachricht zu hinterlassen war impulsiv gewesen. Impulsiver ging es kaum noch. Trotzdem hatte sie Angst, wenn sie daran dachte, zum ersten Mal mit Max zu schlafen. Angesichts ihrer Wortwahl runzelte sie die Stirn. Technisch gesehen wäre es ihr siebtes Mal. In
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