Lust und Gefahr
nur irgendein Idiot gewesen war, der die falsche Straße genommen hatte, und dann würde er sie ganz umsonst aufregen.
Er starrte auf den Schlamm, den die Reifen aufgeworfen hatten, um freizukommen, und blickte in den schwarzen Himmel. Wenn der zweite Sturm wie angekündigt kommen würde, wären sie sicher. Noch ein paar Zentimeter Wasser und man benötigte einen Panzer, um diese Straße passieren zu können.
Es war das erste Mal, dass Mac, der mittlerweile mit Leib und Seele »NordWestler« war, um Regen betete – und zwar um viel Regen.
6. KAPITEL
A ls er zur Hütte zurückkehrte, wartete Tommi bereits auf ihn. Ihre Augen glänzten, und ihre Bewegungen waren fahrig. »Ich habe heißen Kakao gemacht«, erklärte sie. »Und ein paar Sandwiches.«
»Großartig.«
Als er nichts weiter sagte, fügte sie hinzu: »Hast du etwas entdeckt?«
»Ungefähr eine Million nasse Bäume.«
»Ich habe etwas gehört, Mac. Ich habe wirklich etwas gehört.«
In ihrem beinahe verzweifelten Blick lag deutlich sichtbar der Wunsch, dass er ihr glaubte.
»Vermutlich ein Ast, der von einem Baum abgebrochen ist oder so. Vielleicht auch ein Gewitter in der Ferne. Es hätte alles sein können.«
Sie runzelte die Stirn.
»Da draußen ist jedenfalls nichts.« Die Lüge belastete sein Gewissen nicht. Er zog sein nasses T-Shirt aus und steuerte dann auf die Treppe zu – und auf sein Gewehr. Von jetzt an wollte er es verfügbar haben, einsatzbereit und immer in greifbarer Nähe. »Halt den Kakao warm, ja? Ich muss aus diesen Klamotten.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Möchtest du mir dabei behilflich sein?«
Nach kurzem Zögern erwiderte sie sein Lächeln. »Echt verlockend. Aber ich denke, ich bleibe hier und kümmere mich darum, dass die heiße Schokolade nicht kalt wird.«
»Feigling.«
»Absolut.«
»Es wird passieren.«
»Und ›es‹ ist?« Sie warf ihm einen Blick zu.
»Du. Ich. Sex.«
»Du bist ganz schön von dir selbst überzeugt, Mac Fleming.«
Er ging zurück zu ihr und hob ihr Gesicht an. »Ein Teil von mir ist das sicher. Verdammt überzeugt.« Er war gefangen von ihren Augen, von der Melancholie, die in ihnen stand. Sein Magen zog sich zusammen. »Oder vielleicht will ich dich so sehr, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass du nicht dasselbe empfindest.«
Er zog sie an sich und küsste sie mit all der Zurückhaltung, die er aufbringen konnte. Als beide atemlos waren, löste er sich von ihr.
Eine kleine Ewigkeit blickten sie einander an.
Schließlich sagte Tommi, deren Miene undurchdringlich wirkte und deren Wangen gerötet waren: »Können wir …« Sie verstummte.
»Sprich weiter«, drängte er.
»Können wir es langsamer angehen lassen?«
Er hörte, dass ihr der Atem stockte, doch er konnte sich nicht erklären, warum auch er mit einem Mal schwer Luft bekam. Lag es an ihrer Nähe?
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen und blickte ihm direkt in die Augen. »Ich habe Angst, Mac.«
»Aber da draußen ist nichts«, log er wieder.
»Das meine ich nicht. Damit kann ich umgehen!« Sie wirkte angespannt. »Es ist die … Sache zwischen uns. Ich möchte nicht schon wieder einen Fehler machen.«
»Sex ist niemals ein Fehler.«
»So spricht nur ein Mann.« Sanft berührte sie seine Wange, fuhr mit dem Finger über seine Lippen. »Für mich war Sex – meistens jedenfalls – ein Fehler. Die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, war es, nicht mit deinem Bruder zu schlafen. Dadurch habe ich einen wirklich guten Freund gewonnen.« Sie schaute ihn an, und ihre Miene war nachdenklich und abwesend. »Was werde ich haben, nachdem ich mit dir geschlafen habe, Mac?«
Mac spürte, dass sie die Frage eher an sich selbst und nicht an ihn gerichtet hatte – und es war für ihn sowieso unmöglich, ihr darauf eine Antwort zu geben. Doch ihm gefiel die positive Tendenz in ihren Worten. Er fuhr ihr mit gespreizten Fingern durchs blonde Haar und neigte ihren Kopf, damit sie ihn ansehen musste. »Du denkst zu viel nach.« Dann küsste er sie leidenschaftlich, löste sich von ihr, solange er noch konnte, und ging die Treppe hinauf in sein Zimmer, um sich trockene Kleider anzuziehen.
Als er sich auf der obersten Stufe noch einmal zu ihr umdrehte, sah sie ihn noch immer an. Er hätte seine erste Million gegeben, um zu erfahren, was sie dachte.
Die Nacht senkte sich schwer über die Hütte – windig, schwarz und regnerisch. Wenn es außerhalb der Mauern, von denen sie umschlossen waren, eine bedrohliche Welt
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