Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
gesagt, sie werde auf jeden Fall kommen, denn sie habe noch was mit
ihm zu besprechen. Vielleicht hatte er sich getäuscht, aber ihm war so, als
hätte ihre Stimme bei diesen Worten ungewöhnlich kühl geklungen. Nun, wie dem auch
sei, sie würde sicherlich gleich hier sein, und dann konnten sie miteinander besprechen,
was immer es zu besprechen gab. Und dann würden sie sich lieben. Und sie würden
für immer zusammenbleiben.
Gerade, als er überlegte, schon
mal ein paar Kerzen aufzustellen, damit sie es später so richtig romantisch hätten,
erklang das Läuten der Türglocke. Erfüllt von erregter Vorfreude ging Raffael
zur Tür und öffnete.
8
„So, wie es aussieht, wurde er
hier umgebracht“, bemerkte Hauptkommissar David Büttner und biss herzhaft in
sein mit mehreren Scheiben Salami belegtes Brot, das ihm von seiner
Mittagspause übrig geblieben war. „Gott sei Dank war ich heute Mittag
zurückhaltend“, hatte er zu seinem Assistenten Sebastian Hasenkrug gesagt, „sonst
müsste ich jetzt zweifelsohne Hungers sterben.“ Gerade hatten die beiden
Polizisten nach einem relativ ereignislosen Tag Feierabend machen wollen, als
sie Meldung bekamen, in einem Mehrfamilienhaus in der Faldernstraße habe sich
ein Toter eingefunden.
„Und können Sie mir auch sagen,
wie sich ein Toter irgendwo einfinden kann?“, hatte Büttner dem jungen
Polizisten, der ihm die Nachricht in diesem Wortlaut überbracht hatte,
schnippisch gefragt. „Ein Sich einfinden setzt ja wohl ganz offensichtlich
eine aktive Handlung voraus. Und, ehrlich gesagt, ist mir noch nie eine Leiche
begegnet, die ein übertriebenes Maß an Aktionismus an den Tag gelegt hätte. Und
darum halte ich es auch in diesem Fall für eher unwahrscheinlich, dass sich
welche Leiche auch immer jüngst in der Faldernstraße eingefunden hat.“
Der Kopf des jungen Polizisten
war angesichts dieser Zurechtweisung tiefrot angelaufen. „Äh ... also“, hatte
er verlegen gestammelt, „die Leiche, also ... sie wurde wohl aufgefunden.“
„Aufgefunden, soso. Na, das
klingt ja schon eher so, als würden wir da tatsächlich gebraucht“, hatte
Büttner mit einem bedauernden Blick auf seine Armbanduhr gesagt. Seine Frau
hatte für diesen Abend deftige Rouladen mit Rotkohl und Klößen angekündigt. Den
ganzen Tag schon hatte er sich darauf gefreut, und er hatte am Mittag sogar
eines seiner Salamibrote Salamibrot sein lassen, um sich am Abend mit
ausreichend Hunger über das herrliche Gericht hermachen zu können. Und nun das.
Hätte man die Leiche nicht einfach so lange unbemerkt lassen können, bis er
gesättigt und ausgeschlafen am nächsten Morgen wieder zum Dienst erscheinen
würde?
„Ja“, sagte die
Gerichtsmedizinerin Dr. Anja Wilkens nun zu ihm, „dies ist eindeutig der
Tatort.“ Mit einem kurzen Fingerzeig deutete sie auf den Kopf der Leiche. „Er
wurde offensichtlich erschlagen. Mit einem dumpfen, schweren Gegenstand.“
„Und jetzt werden Sie mir
sicherlich gleich sagen, dass Sie auch die Tatwaffe schon identifiziert haben“,
folgerte Büttner, als die Ärztin nach einer weißen Skulptur griff.
„Ja“, nickte sie und reichte die
Skulptur an den Kommissar weiter, „es war diese junge Lady hier, die ihm den
Schädel zertrümmert hat.“
Mit gerunzelter Stirn besah sich
Büttner die Skulptur von allen Seiten. „Hübsch“, befand er dann, „nur die
Blutflecken wollen nicht so ganz dazu passen.“
„Das ist die Danaide von Auguste
Rodin. Jahrgang 1889. Marmor“, wusste Sebastian Hasenkrug beizutragen, nachdem
auch er die Skulptur in Augenschein genommen hatte.
„Danaide. Soso. Hat sich gut
gehalten für ihr Alter“, sagte Büttner spitz. Er konnte es nicht leiden, wenn
sein Assistent den Klugscheißer heraushängen ließ. „Ich nehme an, dass das Blut
von dem Opfer ist“, stellte er dann fest, ohne weiter auf Hasenkrugs Hinweis
einzugehen.
„Das nehme ich auch an“, erwiderte
Dr. Wilkens, „ich werde es im Labor untersuchen lassen.“
„Wie lange ist er schon tot?“
„Seit ungefähr drei Stunden,
schätze ich.“
Büttner warf einen Blick auf die
Uhr. „Hm. Ungefähr halb drei also.“
„Ja, ungefähr. Genaueres sag ich
Ihnen nach der Obduktion.“
„Gut. Und wie heißt der junge
Mann?“
„Raffael Winter.“ Dr. Wilkens
reichte ihm den Personalausweis, den sie bei der Leiche gefunden hatte. „28
Jahre alt, nicht verheiratet, keine Kinder. Er war Musiklehrer, und dies hier“,
sie machte eine ausladende Bewegung, „war
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