Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
nach
Mord oder Totschlag. Sie versagen einfach ihren Dienst, wenn sie voll sind.“
„Komischer Zufall.“
„Technische Errungenschaften
basieren selten auf Zufällen. Das sagt zumindest mein Physiklehrer.“
„Na, der muss es ja wissen. Wie
dem auch sei. Da wir gerade so nett am Plaudern sind, könnten Sie mir
eigentlich noch verraten, warum Jonathan Eckstein es auf Sie abgesehen hatte.
Sieht ja nicht so doll aus, Ihr Hals.“
„Er wollte diese verdammten Skulpturen
haben“, brummte Ben und fasste sich instinktiv an die Kehle.
„Welche Skulpturen?“
„Die von Rodin. Der Kuss, Gier
und Wolllust und Sturz eines Engels . Raffael Winter hatte sie doch
von Eckstein geschenkt bekommen“, mischte sich nun erstmals Hasenkrug neunmalklug
wieder ins Gespräch.
„Und nun wollte er sie zurück
haben?“, fragte Büttner an Ben gewandt.
„Ja. Er meinte, ich hätte sie Raffael
gestohlen.“
„Und Sie wollten sie ihm nicht
geben.“
„Nein. Ich hab ihm stattdessen
ein wenig Pornos gucken lassen. Das fand er aber nicht so witzig, wie ich
gedacht hatte.“ Wieder fasste sich Ben an seinen Hals.
„Das kann ich mir denken.“
„Sie sollten ihn verhaften.“
„Würden wir ja gerne. Aber er ist
unauffindbar.“
„Schade für Sie.“
„Ja. Besitzen Sie einen
silberfarbenen Rekorder?“, wechselte Büttner so unvermittelt das Thema, dass
selbst Hasenkrug Mühe hatte, ihm zu folgen, dann aber wissend nickte.
„Was für einen Rekorder?“
„Für Musikaufnahmen und
Ähnliches.“
„Nee. Ich gucke lieber Filme.“
„Sie haben Magdalena Fehnkamp damit
in Angst und Schrecken versetzt.“
„Magdalena?“ Ben sah den
Kommissar so erstaunt an, dass Büttner sicher war, in Sachen Rekorder auf der
falschen Fährte zu sein.
„Kennen Sie jemanden, der einen
solchen Rekorder ...“ Büttner wurde vom Klingeln seines Handys unterbrochen. Er
ging dran und sagte knapp: „Ja?“
Hatte er bis zu diesem Zeitpunkt
noch eine gesunde Gesichtsfarbe gehabt, so wich sie im nächsten Moment einer
gespenstigen Blässe. Erschüttert ließ er sein Handy zurück in die Tasche seines
Jacketts gleiten.
„Irgendwas nicht in Ordnung,
Chef?“, fragte Hasenkrug besorgt.
„Wir müssen los“, presste Büttner
angespannt hervor, „man hat bei Campen eine Leiche aus dem Wasser gezogen.“
31
Kaum jemals zuvor in seiner
polizeilichen Karriere war es Büttner so schwer gefallen, vor einer Leiche zu
stehen und sie einfach als Teil seiner routinemäßigen Arbeit anzusehen, wie die
Gerichtsmedizinerin Dr. Anja Wilkens es ihm soeben in fürsorglicher Absicht ans
Herz gelegt hatte. Katharina. Gerade erst hatte er sich gefreut, eine frühere
Freundin wiedergefunden zu haben, da wurde sie ihm auch schon wieder genommen.
Und gefreut hatte er sich wirklich, auch wenn er es ihr vielleicht nicht
deutlich genug gesagt hatte. Aber hinterher war man ja immer schlauer. Ja,
tatsächlich, dachte er beim Anblick ihres bläulich-bleichen, vom kalten und
unbarmherzigen Nordseewasser aufgequollenen Gesichts, er hätte sich gefreut,
nach Abschluss der Ermittlungsarbeiten im Fall Raffael Winter mit ihr ein kühles
Bier trinken zu gehen, dazu vielleicht einen guten Fisch zu essen und über die
alten Zeiten zu plaudern. Im Geiste sah er sie als junges, lebhaftes und
äußerst attraktives junges Mädchen vor sich. Wie sie ihn fröhlich anlächelte,
als sein Bruder sie ihm vorstellte. Damals war es für ihn Liebe auf den ersten
Blick gewesen. Und genau das war auch der Grund gewesen, warum er nie versucht
hatte, mit ihr zu schlafen, so wie es all die anderen Männer in ihrer Kommune
getan hatten. Nein, er hatte nicht ihren Körper, sondern ihr Herz gewinnen
wollen. Doch dann waren er und auch Katharina von der damals so schnelllebigen
Zeit überrollt worden. Vielleicht war er auch einfach noch zu jung gewesen, um
in aller Konsequenz zu begreifen, was in der Auflösungsphase der Kommune vor
sich ging. Auf jeden Fall hatte es diese alternative Wohngemeinschaft eines
Tages einfach nicht mehr gegeben. Und mit ihr war auch Katharina verschwunden.
Erst jetzt, als er sie in Emden durch Zufall wiedergetroffen hatte, war ihm
klar geworden, wie unsäglich gemein und egoistisch ihre damaligen Mitbewohner
und potenziellen Väter ihres Sohnes sich ihr gegenüber verhalten hatten. Jeder
einzelne von ihnen hatte sie einfach fallen gelassen und sie damit einem
Schicksal ausgeliefert, das für eine junge Frau zu damaliger Zeit kaum schwerer
hätte sein
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