Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
Schule zu
begegnen. Aber weit gefehlt! In dem Augenblick, als Ben Sybille erblickte,
musterte er sie mit spöttischem Gesichtsausdruck von oben bis unten, nickte
dann anerkennend und sagte: „Hm, angezogen steht Ihnen auch ganz gut!“
Sybille fielen bei diesen Worten
sämtliche Fassungen aus dem Gesicht, doch bis sie sich einigermaßen wieder
gefangen hatte, waren Ben und die Polizisten längst in einem der zahlreichen
Räume verschwunden. Fluchtartig verließ sie das Gebäude und rang, einer
Ohnmacht nahe, japsend nach Luft. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte wie durch
einen Schleier eine Stimme neben ihr, aber sie ignorierte sie und lief wankend
davon. Während sie durch die Emder Straßen stolperte, hallten Bens Worte wie
ein lauter und lauter werdendes Echo in ihrem Kopf wieder: Angezogen steht
Ihnen auch ganz gut ... steht Ihnen auch ganz gut ... auch ganz gut! Sie
wusste später nicht, wie sie nach Hause gekommen war. Aber sie wusste eins: Das
Foto von ihr wanderte längst durchs Internet. Alle hatten es gesehen. Alle! Und
noch eines wusste sie: Sie würde sich an Magdalena Fehnkamp rächen. Noch heute!
30
Onno Fehnkamp schwieg mit einer
Beharrlichkeit, die selbst David Büttner Respekt abverlangte – auch wenn er
sich so langsam fragte, warum er mit ihm eigentlich seine Zeit verplemperte.
Statt hier im Vernehmungsraum herumzusitzen, warteten schließlich auch noch
andere Aufgaben auf ihn. Er warf einen Blick auf die schmucklose Digitaluhr,
die über dem verspiegelten Glas hing, durch das man in den Raum hinein, aber
nicht hinaus schauen konnte. Sie zeigte ihm an, dass der Nachmittag bereits ein
gutes Stück fortgeschritten war. Soeben hatte er Mitteilung bekommen, dass
Hasenkrug mit der Vernehmung Ben Winters begonnen hatte. Von Jonathan Eckstein
aber, so hatte es ihm eine junge Kollegin auf dem Gang zugeflüstert, fehle nach
wie vor jede Spur. Man sei derzeit dabei, auf sämtlichen Bahnhöfen und
Flughäfen nachzufragen, ob er irgendwo gesichtet oder gelistet worden war. Hm,
dachte Büttner und zog die Stirn in Falten. Ganz offensichtlich hatte sich
einer der Hauptverdächtigen nach seinem wodurch auch immer motivierten Angriff
auf Ben Winter irgendwohin abgesetzt, ohne auch nur die kleinste Spur
hinterlassen zu haben. Sollte Jonathan Eckstein tatsächlich der Mörder von
Raffael Winter sein, säßen er und seine Kollegen ganz schön in der Scheiße.
„Ihre Frau hat gesagt, dass Sie
an dem Todestag von Herrn Winter nach dem Mittagessen mit den Worten, Sie
würden den Klavierlehrer Ihrer Tochter zur Rede stellen, das Haus verlassen
haben“, startete Büttner einen weiteren Versuch, Onno Fehnkamp aus der Reserve
zu locken. „Nach wie vor können Sie für den Tatzeitraum kein Alibi vorweisen.
Damit sind Sie derzeit einer unserer Hauptverdächtigen. Und Ihr Auftritt heute
Morgen hat Ihre Situation nicht gerade verbessert. Jede Aussage von Ihnen
könnte allerdings dazu beitragen, den Richter ein wenig milde zu stimmen.“
Büttner machte eine kurze Pause und sog hörbar die Luft ein. „Und ich schätze,
dass das in Ihrem Fall bitter nötig ist, denn der Richter kann es überhaupt
nicht leiden, wenn irgendwer grundlos junge Menschen bedroht und zu Tode
ängstigt.“
Onno Fehnkamp antwortete auch auf
diese Ausführungen Büttners mit keiner Silbe. Doch veränderte er diesmal
zumindest seine Sitzposition, indem er seinen korpulenten Körper nach vorne
neigte, die Hände gefaltet auf den Tisch legte und anfing, ein Gebet vor sich
hinzumurmeln.
Büttner seufzte. „Kleiner Tipp,
Herr Fehnkamp: Sagen Sie dem lieben Herrgott die Wahrheit. Wenn ich mich
richtig erinnere, steht er drauf, nicht angelogen zu werden.“ Als Onno Fehnkamp
auch auf diese Bemerkung nicht reagierte, fügte er hinzu: „Ich lasse Sie dann
mal alleine mit Ihrer Beichte. Sollten Sie eine Eingebung von oben erfahren und
doch noch ein Geständnis ablegen wollen, dann lassen Sie mir bitte Bescheid
geben. Wenn nicht, nun ja, dann wird Sie dieser freundliche Herr“, er deutete
auf einen Kollegen, der an der Tür Posten bezogen hatte, „in absehbarer Zeit zu
Ihrer Zelle begleiten, in der Sie dann darüber nachdenken können, warum
eigentlich Ihre Frau Gefallen daran findet, Sie ans Messer zu liefern.“
Mit Genugtuung stellte Büttner
fest, dass Fehnkamp bei diesen Worten zusammenzuckte und tiefrot anlief. „Das
ist nicht wahr“, presste er zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor, „das
würde sie nie tun.“
„Oho“,
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