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Lustig, lustig, tralalalala

Lustig, lustig, tralalalala

Titel: Lustig, lustig, tralalalala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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Der Wolf beobachtete sie aus sicherer Entfernung. Irgendwie kam die Alte ihm bekannt vor. Der weite Rock mit den Flicken, der spitze Hut, das beeindruckende Kinn mit dem behaarten Muttermal und der Krückstock, von dem eine unheimliche Energie auszugehen schien. Und dann war da noch dieser unverwechselbare Geruch nach Zimt, Nelken und Kardamom.
    «Sag mal, bist du die Alte, die an der westlichen Lichtung in dem Häuschen wohnt, welches durch einen Lebkuchenzaun abgegrenzt ist?», fragte er.
    «Ja! Kennen wir uns?», entgegnete die Gefragte neugierig.
    «Ach, nicht persönlich. Ich hatte mich nur bei meinen Streifzügen immer gefragt, wem das Haus mit dem ganzen Zuckerwerk gehört   …» Der Wolf hatte sich einen Ruck gegeben und war ein paar Schritte auf die alte Vettel zugetrabt. Gerade stippte die ein paar Schokoladenkrümel von ihrer Bluse und leckte sich schmatzend die Finger.
    «Und, was machen wir jetzt?» Der Wolf versuchte das Gespräch in Gang zu halten. Anscheinend war die Dicke seine einzige Verbündete in dieser schrecklichen Situation.
    «Wie, was jetzt? Ist doch alles supi hier!»
    «Aber vielleicht sollten wir mal so langsam den Ausgang suchen? Wer weiß, mit welchem Feind wir es hier zu tun haben? Hast du etwa nicht den Film ‹Saw› gesehen? Da werden zum Schluss alle bestialisch umgebracht!»
    «Papperlapapp! Such dir was zu essen und gib endlich Ruhe.Ich habe mein Paradies gefunden und lasse mir das nicht durch irgendwelche hysterischen Flohschleudern vermiesen», entgegnete die Alte mit einem Organ, das sämtliche telekommunikativen Errungenschaften in den Schatten stellte, und widmete sich dann wieder seelenruhig ihrer Schokolade.
    «Tja, dann werde ich mal den Ausgang suchen, bevor ich noch als Nachtisch ende. Spätestens in ein paar Stunden ist das Desaster hier sowieso zu Ende. Ich vermute nämlich, dass du irgendwie in meinen Traum geraten bist. Ich werd aber bald aufstehen, deswegen sind wir uns beide schneller wieder los, als die Karriere vom neuen T V-Casting -Superstar andauern wird. Vielleicht liegt das Herumgeträume ja auch an dem falschen Hasen, den ich gestern gegessen habe.»
    «Ach, du machst grade die Atkins-Diät? Hab ich auch schon ausprobiert, hat aber nichts gebracht. Aber jetzt, wo du es sagst: Ich hatte in der Zeit auch ganz schreckliche Albträume.»
    Mitfühlend stopfte sie sich den Rest des Nikolauses in den Mund und klopfte dem Wolf dann mit der verklebten Hand das Fell. Leider etwas zu kräftig, sodass er vor lauter Schreck erneut zusammenzuckte. Aber nicht nur ihn durchzuckte es, auch die dicke Frau wurde plötzlich hellwach. Denn eine weitere Person erschien auf der Bildfläche.
    «Nee, nee, nee. Hier träumt keiner. Es fühlt sich zwar so an, ich meine, wer hat nicht schon mal davon geträumt, in einem Kaufhaus eingeschlossen zu sein, aber ich bin gar nicht schläfrig. Ich war gerade schon eine halbe Stunde in der Schuhabteilung, und das kam mir sehr realistisch vor.» Eine zierliche Frau Anfang zwanzig trippelte zwischen den Regalen hervor. Sie trug ein roséfarbenes Seidenkleid, welches über und über mit Perlen und Edelsteinen verziert war. Über der Brust war ein überfahrener Laubfrosch eingestickt, der bei jeder Bewegungebenfalls glitzerte und glimmerte, und auf ihrem blonden langen Haar funkelte ein Diadem aus lupenreinen Diamanten. Triumphierend hielt sie eine Papiertüte in die Höhe, die offenbar über und über mit Schuhkartons gefüllt war. Ihre Wangen waren leicht gerötet. Vermutlich wegen des Kaufrausches oder, besser gesagt, Klaurausches, dachte der Wolf, und seine Beunruhigungskurve stieg wieder bedrohlich an.
    «Ach, dann hast du mir also das letzte Paar Prada-Slipper in Größe 39 weggeschnappt!», tönte eine neue tiefe dominante Stimme vom anderen Ende des Ganges.
    «Noch ein Weibsbild!» Der Wolf verdrehte verzweifelt die Augen und stieß einen leisen Meckerlaut aus. Warum mussten Frauen sich immer gleich in die Haare kriegen, wenn es um Restposten ging? Anstrengend war das.
    «Seht ihr, das hier IST die Realität!», heulte die Blonde und wedelte mit ihrer Schuhtüte hektisch hin und her.
    «Na, bravo. Eingesperrt mit lauter Modesüchtigen. Bitte, lasst das einen Albtraum sein. Kann mich nicht jemand ganz schnell aufwecken?», jammerte der Wolf und richtete den Blick gen Himmel. Nun bekam er auch den Körper zu der tiefen Stimme präsentiert. Eine attraktive, wenn auch etwas verhärmt wirkende Mittvierzigerin im grauen Tweedkostümchen und

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