Lustnächte
konnte er sich klar und deutlich vorstellen. Er würde sich nicht mehr einkriegen vor Lachen. Es musste eine andere Möglichkeit gefunden werden, ihn aus dem Weg zu schaffen. Erbarmungslos nagte die Eifersucht an Pierre.
„So, dann lasse ich Sie mal allein“, sagte Madame Junot. „Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie ruhig. Ich bin in der Küche.“ Mit einem freundlichen Alte-Dame-Lächeln ging sie hinaus.
„Also. Was ist so wichtig, dass du tausend Kilometer weit fährst, um es mir zu erzählen“, fragte Pierre und bemühte sich angestrengt um einen einigermaßen neutralen Ton.
„Du wirst es nicht glauben. Ich habe die Originaldokumente ausfindig gemacht.“
„Welche Originaldokumente?“
Jean-Luc hob die Augenbrauen.
„Du hattest mich gebeten, die vier Pergamente ausfindig zu machen, die de Sède seinerzeit benutzt hat, um seine Ausführungen über den Schatz von Rennes-le-Château zu untermauern. Pergament eins und zwei waren uns ja bereits bekannt.“
„Die beiden Auszüge aus der Bibel, die wir übersetzt haben“, sagte Beatrix.
„Genau.“ Jean-Luc zwinkerte ihr zu und Beatrix lächelte auf eine Art zurück, die Pierre wie ein Schlag in die Magengrube traf.
„Bei den anderen beiden handelt es sich jeweils um einen Stammbaum. Eines der Pergamente zeigt den Stammbaum der Grafen von Rhazes bis 1244. Das andere ist ein Stammbaum des Grafen Francois-Pierre d’Hautpoul von Rennes-le-Château und Bézu. Es führt jenen Stammbaum von 1244 bis etwa 1644 fort.“
„Hatte de Sède denn Originale hinterlegt“, fragte Beatrix neugierig. Pierre registrierte zunehmend frustriert ihren allzu bewundernden Blick.
„Nein, meine Liebe.“
Meine Liebe. Diese hinterhältige Ratte!
„Aber du sagtest doch eben, du hättest sie gesehen.“
„Hab ich auch. Allerdings nicht in der Nationalbibliothek. Dort wurden natürlich nur Abschriften hinterlegt.“
„Na los, spuck’s schon aus“, donnerte Pierre.
„Lieber Himmel, was hast du bloß für eine Laune. Ich habe nachgeforscht und herausgefunden, dass sich die Originale in Besitz der Malteserritter befinden. Und nur weil ich Beziehungen habe, konnte ich sie sehen. Aber jetzt haltet euch fest: Die Malteser haben sie auf ihre Echtheit überprüfen lassen. Pergament eins und zwei stammen aus der Zeit um 1900.“
„Du bestätigst lediglich, was ich Béatrice bereits sagte. Diese Dokumente hat Philippe de Chérisey Gérard de Sède 1964 übergeben, damit er sie in seiner Publikation über den Schatz von Rennes-le-Château verwenden kann. Zehn Jahre später, nachdem siesich zerstritten hatten, hat er behauptet, sie seien eine Fälschung gewesen. Also nichts Neues.“
„Außer, dass wir jetzt den wissenschaftlichen Beweis haben, dass es Fälschungen sind. Auch die Pergamente drei und vier sind nicht so alt, wie man die Welt glauben machen wollte. Die Malteser datieren sie auf etwa 1770 bis 1800.“
„Ah ja? Das ist schon ein wenig seltsam.“
„Allerdings. Offenbar passt nichts so richtig zusammen.“
Doch Pierre war nicht recht bei der Sache. Er überlegte fieberhaft, mit welcher neuen Aufgabe er Jean-Luc betrauen könnte, die ihn möglichst weit von Rennes-le-Château wegschaffen würde, als Beatrix voreilig von den am Morgen entdeckten Kammern zu erzählen begann. Verdammte Geschwätzigkeit. Diese Neuigkeit würde Jean-Luc tagelang hier festhalten. Beatrix berichtete haarklein von ihrem Abenteuer –natürlich unter Auslassung gewisser Aktivitäten – und Jean-Luc zog die Sache auch noch mit tausend Fragen in die Länge. Währenddessen verweilte Pierre mit verschränkten Armen und starrte zum Fenster hinaus. Vergeblich versuchte er sich einzureden, dass es nur berufliches Interesse war, weshalb die beiden sich so angeregt unterhielten.
„Vielleicht können wir sie uns morgen früh gemeinsam ansehen“, schlug sein Freund gerade vor.
„Béatrice besucht morgen früh eine alte Freundin von Madame Junot“, erwiderte Pierre statt ihrer.
„Tue ich das?“
Er biss die Zähne zusammen. Ganz ruhig. Jetzt nur keine Temperamentsausbrüche.
„Gut, dann werde ich morgen früh diese alte Dame besuchen, ein wenig mit ihr über mein unverhofftes Eheglück und meine Schwangerschaft plaudern und ihr dabei Informationen über den guten Abbé Boudet entlocken.“
Jean-Luc lachte herzlich.
„Ja, ich habe davon bereits gehört.“
„Nur zwei von Pierres unnötigen Notlügen.“
„Ja, so kennen wir ihn.“
Pierre holte gerade Luft, um sich zu
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