Lustnebel
Dinge gleichzeitig.
Die Türklinke wurde gedrückt, jemand packte Rowena und drehte sie herum, um sie auf den Schreibtisch zu setzen. Die Wucht, mit der sie auf der Platte landete, ließ sie überrascht keuchen. Kräftige Hände umfassten ihre Hüften. Reflexartig versuchte Rowena, sich zu befreien, der Körper unter ihren Fingern erwies sich als muskulös und ihre Gegenwehr prallte nutzlos ab. Der Fremde zog sie eng an seine Brust, zwang seinen Unterleib an den ihren.
Die Tür öffnete sich plötzlich, und eine Gruppe Menschen trat ins Zimmer. Doch das bemerkte Rowena kaum mehr, denn eine Hand legte sich fest in ihren Nacken und hielt sie dominant an Ort und Stelle.
„Spielt mit, wenn Euch Euer Leben lieb ist!“, raunte eine volltönende Stimme an ihrem Ohr. Dann senkten sich Lippen auf die ihren.
Rowena sah in das unbekannte Gesicht eines exotisch schönen Mannes. Er hielt die Augen geschlossen und roch nach Wiese und Kräutern und etwas Unbestimmtem, das tief in Rowena etwas anrührte. Ihr Herz pochte aufgeregt. Der Mann presste seinen Körper an ihren, und durch ihr Erlebnis im Hellfire Club wusste sie, was es bedeutete, als sich etwas Hartes, Längliches an ihr Schambein drückte. Ihre intime Mitte reagierte mit lustvollem Pochen, und sie reckte sich ihm sehnsüchtig entgegen. Die zweite Hand des Mannes glitt über ihren Hals zum Dekolleté und schob sich in ihren Ausschnitt. Warme Finger streichelten ihre Brust, während seine Zunge gebieterisch Einlass in ihre Mundhöhle forderte. Rowena lehnte sich an ihn, genoss seine herrische Besitzergreifung, seinen festen Griff und ergab sich in die köstlichen Gefühle, die sie durchfluteten. Der Mann, in dessen Armen sie lag, verstand es meisterlich, ihre Begierde zum Kochen zu bringen.
„Rowena!“, kreischte Agatha Coinsworth.
Ein Mann räusperte sich verlegen.
„Lucien, Lady Rowena, wie kommt Ihr hier herein?“, beschwerte sich Geoffrey Turnbull.
Schlagartig riss es Rowena aus ihrem sinnlichen Rausch. Die lustvollen Nebel lichteten sich, und sie wurde sich ihrer Umgebung bewusst. Panik peitschte durch ihren Körper, und Schwäche bemächtigte sich ihrer Glieder.
Der Unbekannte half ihr vom Schreibtisch. Erst jetzt konnte sie ihn genauer betrachten. Seine Haut war dunkel, bernsteinfarbene Augen blitzten in einem schmalen Gesicht mit hohen Wangenknochen, das von langem Haar umrahmt wurde. Rowena schluckte. Der attraktive Mann war ihr fremd, und doch glaubte sie, ihn bereits gesehen zu haben. Er war sichtlich kein Engländer. Nicht einmal Europäer.
„Mir dünkt, unsere leidenschaftliche Bekanntschaft endet nun vor dem Traualter!“, erklärte er ohne erkennbare Gefühlsregung.
Rowenas Blick wanderte zu Lady Coinsworth, zu Geoffrey Turnbull und dem schockiert dreinblickenden Männchen neben ihm. Sie musterte den bronzehäutigen Fremden vor sich, der ihr die Hand reichte. Erneut räusperte sich Rowena, und das Gefühl einer Schlinge um ihren Hals, die eng und enger zugezogen wurde, verstärkte sich.
Agatha hatte sich den Herren zugewandt und redete auf sie ein. Wahrscheinlich, um sich ihres Stillschweigens zu versichern.
Rowena konzentrierte sich auf ihr Gegenüber. Dem Mann haftete etwas Strenges, Mysteriöses an. Sie ergriff seine Hand, und er begrüßte sie formvollendet.
„Wie ist Euer Name?“, erkundigte sie sich krächzend.
„Chayton Bannister, Marquess of Windermere, liebste Rowena”, gab er zur Antwort.
Benommen fragte sie sich, wie er ihren Namen herausgefunden haben mochte, und blickte zu Agatha, die sich vor ihr aufbaute.
„Die beiden Herren sind so freundlich, über das Ganze Stillschweigen zu bewahren. Gleich morgen früh werdet Ihr das Aufgebot bestellen. Ich habe gute Beziehungen, mit einer Sonderlizenz kann die Trauung in vierzehn Tagen stattfinden“, legte Agatha ihnen dar.
Die Schlinge um Rowenas Kehle zog sich zusammen. Selbst aus dem Schatten des Grabes heraus brachte Claire sie in Schwierigkeiten …
Rowena und ihre Mutter frühstückten im kleinen Esszimmer der Familie. Der Duft nach Kaffee lag in der Luft, und durch das großzügige Sprossenfenster schien die Morgensonne. Rowena unterdrückte ein Gähnen, während sie in ihren Eiern herumstocherte. Die forschenden Blicke ihrer Mutter auf sich ruhend, gelang es ihr kaum, den Kopf zu heben. Zu den Schuldgefühlen über Claires Tod gesellte sich die Scham über den Skandal, den sie beinahe hervorgerufen hätte, um den eigentlichen, größeren Eklat zu vermeiden und
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