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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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zurück. Chaytons Miene war eine Mischung aus Bestürzung und Verwunderung. Sie fühlte die Klinke in ihrem Rücken und tastete danach, bekam sie zu fassen und drückte sie hinunter. Erst jetzt wagte sie es und kehrte Chayton den Rücken zu.
     
    Erleichtert ließ sie sich wenig später gegen ihren Waschtisch sinken.
    „Alles in Ordnung, Lady Rowena?“ Betsy hielt besorgt inne und strich über die Leibwäsche, die sie über ihren Arm gelegt ins Zimmer trug.
    Rowena fasste sich und nickte. „Alles bestens, Betsy. Hast Du mir das leichte Korsett gebracht? Das, das ich unter dem Seidentaftkleid trage.“
    „Das mit dem Fransenbesatz?“, vergewisserte sich die Zofe.
    Rowena verwandte an diesem Morgen viel Zeit auf ihre Toilette. Die Stunden vor dem Frühstück waren die ruhigsten, ebenso wie jene vor dem Schlafengehen.
    Für gewöhnlich liebte sie es, ihre Gedanken in diesen Zeiten schweifen zu lassen. Doch seit Claires Tod hatte sie an diesen Stunden wenig Angenehmes finden können. Sie hatte sogar Betsy damit überrascht, indem sie angefangen hatte, mit ihr zu plaudern. Etwas ganz und gar Untypisches für sie.
    Betsy fiel die Veränderung sofort auf, und sie warf ihrer jungen Herrin prüfende Blicke zu. Doch da Rowena ein Lächeln auf ihre Lippen legte, fragte Betsy nicht nach Rowenas Befinden.
    Nun hatte sie also auf drastische Weise vorgeführt bekommen, dass eine ritterliche Tat aus dem Wolf nicht unbedingt einen Helden machte. Doch war Chayton tatsächlich gefährlich? Konnte er nicht die Wahrheit gesagt haben? War Zeuge eines Unfalls geworden und ruinierte sich bei den Rettungsversuchen seine Kleidung?
    Rowenas Gedanken wanderten zu ihrer ersten Begegnung zurück. Er hatte behauptet, vor den anderen in den Raum gekommen zu sein, doch sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass niemand vor Turnbull den Raum betreten hatte, und dass er sie vor der Lebensgefahr warnte, tat das Übrige, um Rowena in Verwirrung zu stürzen.
    Vor wem hatte Chayton sie gewarnt? Und warum leugnete er dies nun? Warum hatte er sie geheiratet? Stand er in Verbindung zu Silbermaske und dem Hellfire Club ? Wusste er von ihrem und Claires Besuch dort?
    Das war unmöglich. Sie wischte den Gedanken im selben Moment beiseite, als sie ihn dachte. Nichtsdestotrotz, Chayton verbarg etwas, und er war nicht der harmlose Müßiggänger, der zu sein er vorgab. Etwas Dunkles, Fremdes lauerte unter seiner Oberfläche, und Rowena war sich unschlüssig, ob dies in seiner Abstammung oder in seinem Wesen begründet lag.
    „Habt Ihr Pläne für heute Morgen?“, plauderte Betsy los, offensichtlich irritiert vom plötzlichen Schweigen Rowenas.
    Rowena betrachtete ihr Spiegelbild und beobachtete dann Betsy, wie sie ihre Haare sorgsam hochsteckte.
    „Einige Besorgungen erledigen, vielleicht ein Besuch bei Lady Franklin“, antwortete sie bereitwillig.
    Betsy strahlte, wusste sie doch, dass ihr der Besuch bei Lady Franklin Gelegenheit geben würde, mit dem dort angestellten Kutscher zu schäkern.

Kapitel 5
     
    Es gibt ebenso Sünden gegen die Natur
    Wie Sünden gegen den Menschen
    Moralität erstreckt sich also auf die ganze Welt
    Achtung gegenüber allem ist die notwendige Einstellung.
    Catherine Attla
     
    „Mylady?“ Betsy hatte Mühe, Rowena hinterherzukommen. Sie war beladen mit den Einkäufen, zudem herrschte reges Treiben auf den Straßen.
    Ganz London schien an diesem Tag unterwegs, Besorgungen zu erledigen. Ein Zeitungsjunge lungerte an der Ecke herum, seine Schildmütze keck in den Nacken geschoben und die Nase selbstbewusst in die Luft gereckt, während er lautstark seine Neuigkeiten anpries. Immer wieder suchte er die Blicke der Vorüberhastenden und war nicht zu schüchtern, diese anzusprechen: „Der Herr dort mit dem eleganten Spazierstock! Kauft Euch die Londoner News, Ihr werdet der bestinformierteste Gentleman im Club sein!“ Ein Stück weiter stand eine junge Frau in sauberen, doch geflickten Kleidern und bot dampfende Muffins feil und lockte die Passanten mit ihrem köstlichen Duft. Ein Mütterchen hatte an einer Straßenecke Blumensträuße aufgebaut und wartete sichtlich hoffnungsfroh auf Käufer, während die Ladenbesitzer, welche Rowena durch Türen und Schaufenster beobachtete, Kundschaft bedienen durften. Kutschen fuhren mal schneller, mal langsamer die Straße entlang. Gelegentlich flogen Dreckbatzen hoch und landeten auf den Gehwegen oder den Fußgängern, die weniger Glück hatten.
    All die Hektik, die Gerüche, der Lärm

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