Lustnebel
mir besorgt. Er meinte, es sei nie verkehrt, sich selbst verteidigen zu können.“
„Wer ist Andrew Carporter?“, wollte Rowena wissen, in der Annahme, es sei jemand, den man kennen müsste.
Die blonde Theodora warf Millicent einen listigen Blick zu. „Er ist Millicents Verehrer“, erklärte sie.
„Nur ein Gesinnungsgenosse“, verbesserte Millicent die andere.
„Gesinnungsgenosse, natürlich“, spottete diese. „Der gute Andrew ist bis über beide Ohren in unsere Frauenrechtlerin hier verliebt. Er würde sich Röcke anziehen und Kinder kriegen, damit Millicent seinem Werben nachgibt.“
„Im Gegensatz zu Sir Ziegenbart, der dich nach der Eheschließung vermutlich in einen Turm sperren wird wie der ruchlose Ritter Blaubart.“
„Immerhin ist er ein Mann“, entgegnete Theodora hochmütig.
Anne schüttelte den Kopf und wandte sich an Rowena. „So geht das die ganze Zeit mit den beiden“, verkündete sie seufzend.
Rowena lächelte verhalten, unsicher, was sie darauf antworten sollte. Ihre Gedanken kreisten vielmehr um die Todesfälle. Konnte es sein, dass Claires Tod nichts mit ihrem Besuch im Hellfire Club zu tun hatte? Dass ihre glücklose Freundin einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war? Oder war es umgedreht? Waren die Verstorbenen, die Millicent so ominös angedeutet hatte, ebenfalls Gäste des Hellfire Club gewesen? Die Besucher der Orgie hatten ausnahmslos Masken getragen und falsche Namen verwendet. Sie kannten einander nicht.
Welche Intention hatte Silbermaske, vor ihrem Haus herumzulungern? Und seit wann beobachtete er sie? War es ihrer Aufmerksamkeit bisher entgangen? Nachdem Rowena eine Weile mit sich gerungen hatte, wandte sie sich an Millicent, die bestens über die Mordgeschichten informiert zu sein schien.
„Millicent, hast du Informationen über den Frauenmörder? Etwas, das nicht in den Zeitungen steht?“
Millicent lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Rowena. Ihr Blick flackerte kurz, ehe sie den Kopf schüttelte. „Nein“, log sie.
Rowena zögerte. Sie entschied, dass es nichts bringen würde, Millicent zu drängen, und überlegte, ob sie ihr vielleicht in den nächsten Tagen ihre Aufwartung machen sollte in der Hoffnung, dann etwas zu erfahren.
Rowena ließ sich in ihre Kissen sinken. Ihr letzter Blick galt dem türkisfarbenen Stein, ehe sie ihn in den Ausschnitt ihres Nachthemdes gleiten ließ. Seit Claires Beerdigung trug sie den Stein ständig an einer Kette um den Hals. Er tröstete sie und erinnerte sie daran, nicht aufzugeben. Sie wollte den Tod ihrer Freundin aufklären. So lange es auch dauern mochte!
Chayton war in seinen Club gefahren. Er würde erst spät zurückkehren. Vermutlich angetrunken und nach Tabak riechend, dachte Rowena naserümpfend.
Viel lieber hätte sie den Abend mit ihm verbracht. In trauter Zweisamkeit mit ihm geplaudert und ihn näher kennengelernt. Sie hielt es für möglich, dass sie mehr verband als körperliche Anziehung. Es musste doch machbar sein, mit Chayton eine Ehe zu führen, in der Vertrautheit und Sex die Basis waren?
Aber vielleicht war es der Reiz, einander nicht zu kennen, der es so leicht machte, sich hemmungslos zu fordern und zu genießen. Der Grund für die erotische Erfüllung, die sie beieinander fanden.
Rowenas Bett stand inmitten eines Waldes. Blinzelnd setzte sie sich auf und blickte sich um. Hohe Laubbäume wuchsen rundherum. Die Nordseiten der Baumriesen waren mit pelzigem Moos bewachsen, und einige Stämme hatte dichter Efeu erobert. Grün- und Brauntöne wechselten sich ab, und die kühle Luft war feucht und neblig, sodass alles in einen unwirklichen Dunst getaucht schien.
Ein Maunzen erregte Rowenas Aufmerksamkeit. Am Fußende saß die schwarz-weiß-gemusterte Katze mit den violetten Augen.
„Du bist du ja wieder. Was bist du nur für ein seltsames Tier, dass du mich nun sogar in meinen Träumen heimsuchst?“ Sie streckte ihre Hand nach der Katze aus, und diese sprang mit einem Satz auf den Erdboden, miaute erneut und sah Rowena auffordernd an. Dann marschierte sie mit majestätisch gestrecktem Kopf und erhobenem Schwanz los.
„Katze?“, rief Rowena ihr hinterher. Als das Tier zwischen zwei besonders dicken Stämmen ankam, machte es Halt, um noch einmal auf Rowena zu blicken.
Aus irgendeinem Grund schien der Stubentiger zu wollen, dass Rowena ihm hinterherkam. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett und fand bereitstehende Pantoffeln, in die sie schlüpfte.
Der Waldboden federte unter
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