Lustnebel
Dienstboten anstellen“, führte sie aus.
Chayton lächelte sardonisch. „Möchtest du? Versuch dein Glück. Du hast meinen Segen.“ Er stampfte davon und ließ Rowena zurück, um ihre Besichtigung fortzusetzen.
Zehn Räume später war ihr Enthusiasmus deutlich gedämpft. Es war katastrophal. Überall hingen Spinnweben an den Decken und lag der Staub einer halben Ewigkeit zentimeterhoch in den Wohnräumen. Zudem entdeckte sie in einem Salon Mäuse, die sich in der Polsterung eines Louis-Seize-Sofas heimisch niedergelassen hatten.
Frustriert machte sie sich auf die Suche nach Cain und fand ihn, nachdem sie bereits aufgeben wollte. Er beschäftigte sich damit, die welken Blätter von den Pflanzen im Wintergarten abzuzupfen.
„Cain, ich suche dich bereits.“
Der missgebildete Butler zuckte zusammen. „Vergebt mir. Was kann ich für Euch tun, Mylady?“
„Ich möchte morgen so bald wie möglich in das Dorf hinunterfahren. Würdest du dem Kutscher das ausrichten?“
Cain blickte sie wie ein verschrecktes Kaninchen an und nickte langsam. Rowena rauschte hinaus. Zufrieden, erste Aufgaben als Ehefrau wahrzunehmen, kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Draußen war es mittlerweile Nacht, davon unbeeindruckt machte es sich Rowena vor dem Kamin mit einem Buch bequem. Müde von den Aufregungen des Tages schlummerte sie vor dem Feuer ein.
Sie erwachte, als ihr Schmöker mit einem Krachen auf den Boden plumpste. Sie gähnte und streckte sich. Einen Moment lang genoss sie die Wärme des Kaminfeuers, ehe sie sich nach dem Buch bückte und aufstand.
Sie legte es auf die Fensterbank und blickte hinaus. Es war dunkel, nur der Vollmond hing über dem Wald, und aus der Moorlandschaft hinter dem Grundstück stieg dichter Nebel hoch, kräuselte sich und schien wie ein lebendiges Wesen Richtung Bäume zu ziehen. Kleine, unscheinbare Dampfschwaden waberten im ungepflegten Rasen des Grundstückes. Unter der Terrasse befand sich Chaytons Zelt. Davor flackerte ein hohes Lagerfeuer. Rowena blinzelte ungläubig, als sie die Gestalt und deren Aussehen erkannte. Es war Chayton. In seinem Haar reflektierten sich rötliche Lichter, die auch in seinem edel geschnittenen Gesicht tanzten. Und nicht nur dort, auf seiner nackten Brust spielten dieselben Lichter wie neckische Kobolde aus Feuerzungen. Rowena streckte sich, um mehr zu erkennen. Chaytons Gesicht zierten archaische Muster, die sich auf Oberarmen und Brust fortsetzten. Sie schluckte beunruhigt.
Chayton hob ein Bündel auf, das ähnlich wie Heu aussah und am einen Ende glühte. Heller Rauch züngelte spiralförmig in die Luft. Chaytons Lippen bewegten sich, als redete er, und er drehte sich einmal um seine eigene Achse, um dabei in alle vier Himmelsrichtungen sein qualmendes Bündel zu schütteln, als versuchte er, das Glimmen zu unterbinden. Seine Miene wirkte feierlich, als nähme er eine Segnung vor. Rowena trat einen Schritt vom Fenster fort. Sie hatte mit einem Mal das Gefühl etwas zu beobachten, das nicht für ihre Augen bestimmt war.
Kapitel 6
Es ist nicht notwendig für die Adler, sich als Krähen auszugeben.
Sitting Bull
Nach einem Frühstück, das sie allein auf ihrem Zimmer eingenommen hatte, da Chayton sich weder blicken ließ, noch Cain eine Ahnung hatte, wo er zu finden wäre, bestieg Rowena die Kutsche und ließ sich hinunter nach Blawith Tower bringen.
Schon als die ersten Häuser in Sicht kamen, fühlte Rowena eine seltsame Anspannung in sich. Sie erinnerte sich überdeutlich an die Reaktionen der Leute, als sie die Equipage erkannt hatten. Der Pfarrhof kam in Sicht, und die Pferde hielten vor dem Eingang an. Rowena wartete, bis der Kutscher ihr beim Aussteigen behilflich war, und klopfte an die Tür des Pfarrhofes. Eine rosenwangige, alte Dame mit grafitgrauem Haar öffnete. Sie lächelte verhalten, als sie Rowena identifizierte.
„Mylady.“ Sie knickste. „Was kann ich für Euch tun?“
Rowena nickte ihr freundlich zu. „Mein Name ist Rowena Bannister, Marchioness of Windermere.“
Die Frau strich nervös über ihren Rock und hielt den Kopf gesenkt, als sie den Namen hörte. Einige Atemzüge lang sah sie zu Boden, ehe sie sich Rowena zuwandte. „Erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich bin Mary Stonecraft, die Haushälterin von Reverend Cummins“, stellte sie sich vor, und ihr Lächeln wirkte schon weniger herzlich und zuvorkommend. „Womit kann ich Euch dienlich sein?“
Rowena räusperte sich. „Ich habe etwas mit dem Reverend zu
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