Lustvolles Erwachen
sich.
Grace bot den beiden Männern einen Platz an, ehe sie sich auf das cremefarbene Sheraton -Sofa setzte – ganz die perfekte Dame der feinen Gesellschaft. »Wer wir?«
Kit wechselte einen Blick mit Alex. »Diejenigen von uns, die dich lieben«, erwiderte er.
Grace betrachtete ihn einen Moment lang. »Unsinn. Wer?«
Kits Blick verfinsterte sich. »Das brauchst du nicht zu wissen. Du musst mir nur zuhören.«
Beinahe hätte Grace wieder geflucht. Schweißperlen glitzerten auf Kits Stirn, und er hatte die Hand zur Faust geballt. Vielleicht würde sie die feine Gesellschaft niemals verstehen, aber die Soldaten kannte sie genau. Kit wollte nicht hier sein, doch es war seine Pflicht. Plötzlich hörte sie zwischen seinen Worten die Stimmen ungenannter Männer, die versuchten herauszufinden, was sie mit ihr, der unerwarteten Figur im Schachspiel, tun sollten.
»Habt ihr darauf gewartet, dass Diccan nach Brighton aufbricht?«, wollte sie wissen. »Oder ist das bloß ein Zufall?«
Der Blick, den Kit und Alex tauschten, war Antwort genug. Der Zeitpunkt dieses Besuchs war kein Zufall. Die Frage war, ob Diccan dabei ebenfalls eine Rolle gespielt hatte. Grace bemühte sich, vor Scham nicht zu erröten. War die vergangene Nacht ebenfalls ein Versuch gewesen, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen? Sie vom Nachdenken über die Frage abzuhalten, in was er verwickelt war?
»Wollt ihr mir sagen, dass Diccan doch ein Vaterlandsverräter ist?«, fragte sie.
Kit starrte auf seine Faust. »Es gibt Fragen. Die Regierung untersucht derzeit die Anschuldigungen.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Du willst sagen, dass er ein Verräter ist.«
Er schüttelte den Kopf. »Dieses Urteil fälle ich nicht.«
»Es ist nur deine Aufgabe, mich zu warnen.«
»Du bist zu mir gekommen«, erinnerte er sie sanft.
Sie seufzte. »Ja, das stimmt. Sonderbarerweise habe ich auf Antworten gehofft.«
»Das ist die Antwort.«
Einen Moment lang wandte sie sich ab und konzentrierte sich auf die ordentliche Welt Mayfairs, die vor ihrem Fenster lag. »Was ist mit Mr. Carver? Ist er derjenige, der zu sein er behauptet?«
Es war Alex, der antwortete: »Er arbeitet für das Innenministerium.«
Das war ein Schlag, aber sie ließ sich nichts anmerken. »Und was mache ich, wenn er und Onkel Dawes zu mir kommen und Informationen haben wollen?«
»Wir werden uns darum kümmern«, versprach Alex und nickte.
»Wer?«, fragte sie, wohl wissend, dass Alex, den man auch den Weißen Ritter nannte, genauso wenig lügen konnte wie Kit. »Diejenigen, die mich lieben, oder die Regierung? Ich nehme an, dass die Anschuldigungen von dort kommen.«
»Beide.«
Abwesend nickte sie. Ihre Wut wuchs. »Alles klar.«
»Du musst das verstehen, Grace«, beharrte Kit. »Es könnte gefährlich sein.«
Tatsächlich brachte er sie zum Lachen. Es war ein freudloses Lachen. »Ich könnte dir das verzeihen, wenn du in den vergangenen fünf Jahren nicht zwei Zelte entfernt gewohnt hättest. Sag mir, Kit: Bin ich zu dumm, um das alles zu verstehen, oder zu schwach, um irgendwas ausrichten zu können?«
Kit sah aus, als wäre er derjenige, der verletzt worden war. Er ging zu ihr und setzte sich neben sie. »Gracie«, sagte er und griff nach ihrer Hand, »bitte, versteh doch. Es ist kompliziert.«
Geschickt entzog sie sich ihm und erhob sich. »Oh, das kann ich mir vorstellen«, erwiderte sie. Sie war sich nicht sicher, wie, aber im nächsten Moment stand sie wieder vor dem Fenster, als hätte sie so eine bessere Sicht auf das Problem. »Sind die Löwen in die Angelegenheit verwickelt?«
Es dauerte einen Moment, bis er antwortete. »So viel schulden wir dir … ja.«
Sie drehte sich um. »Und ihr denkt, dass Diccan ein Löwe ist – auch wenn er uns vor nicht einmal drei Monaten vor ihnen beschützt hat. Oder ist vielleicht mein Onkel Dawes – der Mann, der Seite an Seite mit Cornwallis gekämpft hat – der Vaterlandsverräter?«
Kit seufzte. »Ich habe es dir gesagt. Wir wissen es nicht. Es ist wahrscheinlicher, dass Diccan auf Geld aus ist. Berichte besagen, dass er an seinen ehemaligen Wirkungsstätten jeweils ein kleines Vermögen angehäuft hat, weil er zwielichtige Aufgaben für die Regionalregierungen erledigt hat.«
Grace schüttelte den Kopf. Nein. Entgegen aller Beweise konnte sie es nicht glauben. Doch andererseits dachte sie an den Hohn in Diccans Stimme, als er mit seiner Geliebten zusammen gewesen war. Und an sein Lachen in der vergangenen Nacht. Diccan war
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