Lustvolles Erwachen
Nonne. Mit einer langweiligen, pferdegesichtigen Nonne. Die Tatsache, dass er maßlos ungerecht war, machte ihn nur noch wütender.
Er hatte einfach zu lange enthaltsam gelebt. Er hätte Minette einen Sack über den Kopf ziehen und sie mit sich nach London nehmen sollen. Dann hätte er nicht nur weiterhin seine geheimen Informationen bekommen, sondern auch verhindern können, dass das passiert wäre, was heute Nacht geschehen war. Er wäre zu befriedigt gewesen, um überhaupt mit dem Gedanken zu spielen, seine Frau zu verführen.
Seine Frau, die sich das verdammte Schamhaar gefärbt hatte. Verflucht, er hatte Minette bitten müssen, das zu tun.
Er war froh, dass er seine Wohnung im Albany nicht aufgegeben hatte. Er brauchte heute Nacht ein bisschen Abstand. Einen Ort, an dem er sich Grace’ Duft und die Beweise seines Fehltritts vom Körper waschen konnte. Er musste allein sein.
»Tag, alter Junge, ich hätte nicht erwartet, dich hier zu sehen.«
Diccan blieb abrupt in der Tür stehen. Sein Salon war voller Menschen. Kurz fragte er sich, ob er versehentlich in das falsche Zimmer gegangen war. Aber nein. Da war sein braunes Ledersofa, und da hingen die Jagdbilder, die der Vormieter an den Wänden hatte hängen lassen. Ein paar Ausgaben des Edinburgh Journal lagen ordentlich gestapelt, zusammen mit einer Zeichnung von Gadzooks, die seine Schwester Winnie angefertigt hatte, auf dem Beistelltisch. Das waren seine kunstvoll verzierten Brandyschwenker, die er aus Irland mitgebracht hatte. Ja, das hier war definitiv seine Wohnung. Und gerade wurde sein Salon ganz offenbar von Drake’s Rakes als Klubraum genutzt.
Während Diccan sich noch sammelte, stand Marcus Drake aus seinem Sessel auf. »Ich dachte, es macht dir nichts aus. Wir brauchten einen Ort, an dem wir uns ungestört treffen können.«
Marcus mochte grau melierte, braune Haare und braune Augen haben, doch Diccan hatte bei seinem Anblick immer an einen Wolf denken müssen. Drake war wachsam, raubtierhaft. Der geborene Anführer – sowohl als Earl Drake wie auch als Gründer der Rakes.
Chuffy Wilde, der Marcus folgte, war vollkommen anders. Er war rundlich und voller Sommersprossen und noch immer anfällig für Pickel. Er stand in der Gruppe für den zaghaften Versuch, an der Unschuld festzuhalten. Es war Chuffy, der Diccan die Hand reichte, als hätte dieser sie alle zu sich eingeladen. »Schön, dich zu sehen, alter Freund.«
Der Rest der Gruppe blieb einfach auf seinen Sofas und Sesseln sitzen, rauchte Zigarillos und trank seinen Alkohol. Ian Ferguson. Alex Knight. Beau Drummond. Nate Adams. Es war also eine beschlussfähige Mehrheit zusammengekommen, auch wenn Nate nach einem Abend bei Madame Lucille seinen Champagnerrausch ausschlief.
Für gewöhnlich hätte Diccan sich gefreut, jeden dieser Männer zu sehen. Aber heute war er sich nicht sicher, ob er dem gewachsen war. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er nach Sex roch. Nach Verführung. Nach Grace.
»Man kann nur hoffen, dass ihr mir zumindest ein wenig von meinem eigenen Brandy übrig gelassen habt«, brummte er und ergriff Chuffys dickliche Hand. »Seid ihr gekommen, um mit mir meine Hochzeit zu feiern? Ich hätte dich eigentlich bei der Trauung erwartet, Drake.«
Marcus Drake lächelte. »Ich war genauso überrascht wie du, alter Junge.«
Diccan zog eine Augenbraue hoch. »Nicht ganz so überrascht, denke ich.«
»Wie auch immer«, entgegnete Drake mit einem wissenden Gesichtsausdruck, »eine Feier ist angebracht. Ich mag sie.«
»Die Lady hätte es besser treffen können«, sagte Diccan.
»Das stimmt«, erwiderte Chuffy, dem die Zwischentöne entgangen waren. Er ließ sich wieder aufs Sofa fallen. »Eine wundervolle Frau. Sie hat meinem Bruder nach der Schlacht bei Cornwall das Bein gerettet.«
»Ich glaube, die Schlacht fand bei La Coruña statt, Chuff«, korrigierte Alex Knight ihn von seinem Platz in einem Sessel aus. Er hatte in der einen Hand ein Glas mit Brandy, in der anderen eine Zigarre. Sein weißblondes Haar fiel über seinen zerknitterten Kragen.
»Tatsächlich?« Chuffy blinzelte und lachte dann. »Natürlich. Ihr müsst es wissen. Unverständliche Namen. Schlachten sollten nur noch an Orten stattfinden, die man auch aussprechen kann.«
»Wie Cornwall?«
»Genau!«
Diccan ging zum Barschrank, um sich einen Drink zu nehmen. »Was treibt solche bon vivants wie euch hier zusammen?«
»Ich habe sie zusammengerufen, um sie auf den neuesten Stand zu bringen«,
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