Lustvolles Erwachen
General Lord Wilfred Dawes.«
Dawes blickte Diccan an, als wäre er ein neuer Rekrut. »Schwere Dragoner der Kronprinzessin, Sir. Und Sie?«
Diccan verneigte sich. »King Georges Leichtes Diplomatenkorps. Es ist gut zu wissen, dass Grace einen Beschützer hat. Nun ja, außer den ungefähr achttausend Soldaten, die sie auf der Iberischen Halbinsel gerettet zu haben scheint.«
Der stechende Blick des Generals wurde noch grimmiger. »Machen Sie sich über die Soldaten lustig, Sir, oder über meine Großnichte?«
»Über mich selbst, Sir. Nur über mich selbst.«
Das schien dem alten Choleriker gut zu gefallen. »Zumindest sind Sie vernünftig. Und wenn ich den Gaul betrachte, haben Sie ein Auge für Pferde. Ist er so übellaunig, wie er wirkt?«
»Schlimmer. Und jetzt hat er noch eine Sünde zu seiner Liste hinzugefügt, indem er sich in die reizende Epona verliebt hat.«
Diccan hatte kaum zu Ende gesprochen, als Gadzooks sich auf das Pferd des Generals stürzte. Der General fluchte, sein Pferd wieherte schrill und wich zurück, und Gadzooks schüttelte selbstzufrieden den Kopf.
Diccan schlug ihm auf den Hals. »Ruhig, du miesepetriges Tier. Ich versuche hier gerade, die Familie dieser Lady zu beeindrucken.«
»So läuft es für uns bedauernswerte Kerle«, sagte der General mit einem dröhnenden Lachen. »Immer schmachten wir nach den hübschen jungen Dingern.«
Gadzooks schüttelte wieder den Kopf. Grace, die ihn beobachtete, lachte leise. »Oh, er wird wundervollen Nachwuchs bekommen. Voller Kampfgeist. Onkel Dawes, du musst mir versprechen, zum Abendessen zu kommen.«
»Sobald wir ein Zuhause gefunden haben«, fügte Diccan hinzu, »können Sie es auch als das Ihre betrachten.«
General Dawes warf ihm einen scharfen Blick zu. »Oh, das werde ich, mein Lieber. Das werde ich.«
Diccan verneigte sich. »Und jetzt werde ich Grace ihren zwei Helden überlassen. Bevor ich Ihre Nichte auf dem Pferd erblickt habe, hätte ich nicht gedacht, dass mich irgendetwas von meinen Verpflichtungen abhalten könnte.«
Grace errötete. Der General lachte bellend und nickte, als wäre er erfreut. Als er sich jedoch abwandte, bemerkte Diccan die Kälte in den alten Augen und fragte sich, was noch auf ihn zukommen würde.
Allerdings war der Gedanke an den General nur flüchtig. Er hatte Wichtigeres im Kopf. Zum Beispiel die Frage, ob er Grace’ Pferd überhaupt in die Stadt hätte bringen lassen sollen. Möglicherweise war das die Brücke, die sie brauchten, um eine richtige Ehe zu führen. Doch wollte er das? Sollte er es gerade jetzt wagen, dieses Risiko einzugehen?
Am späten Nachmittag erhaschte Diccan den ersten Blick auf die neue Grace. Er kam zum Pulteney Hotel und sah sie mit ihrem treuen Freund Harper und den Pferden vor dem Gebäude stehen. Sie lächelte, als sie ihn erblickte.
»Ach, wie schön«, sagte sie und strich mit ihrer behandschuhten Hand über den glänzenden Hals von Epona. »Ich hatte gehofft, dass du es nicht vergessen würdest.«
»Natürlich habe ich daran gedacht«, antwortete er und trat näher. »Und als Belohnung darf ich dich in neuem Glanz sehen. Meine tief empfundene Entschuldigung dafür, dass ich je an dir gezweifelt habe, meine Liebe. Du und Madame Fanchon habt auf ganzer Linie gesiegt.«
Grace taten die neue Garderobe von Madame Fanchon und die neue Frisur gut. Ihre streng geschnittene Reitkleidung war eine Sinfonie der Schneiderkunst – aus grünem Kaschmir mit Brustschnüren a la militaire, passendem Tschako und einem Schal, der mit der Brise flirtete. Darunter war ihr langes Haar zu einem Nackenknoten geschlungen. Der Stil unterstrich ihre ranke, schlanke Figur und hob sich gegen das glänzende Schwarz ihres Pferdes ab. Diccan konnte nicht aufhören, sie anzustarren.
»Zumindest hast du so viel Verstand«, murmelte Harper.
»Still, Harps«, ermahnte Grace ihn, als der kleine Mann ihr auf das Pferd half. »Woher sollte Diccan wissen, dass ich mich auch zurechtmachen kann? Ich danke dir, Diccan. Ich muss zugeben, dass ich mich fast sträflich gut fühle. Ich werde niemals Kate sein, aber zumindest sehe ich nicht mehr aus wie ein bezahltes Klageweib. Also«, drängte sie und packte die Zügel, »wohin reiten wir? Ich würde lieber nicht wieder zurück in den Park. Epona muss sich austoben.«
»Das habe ich mir gedacht.« Diccan führte sie auf die Straße. Der unerschütterliche Harper folgte ihnen. »Außerdem müsste ich im Hyde Park jeden Soldaten im Umkreis von einer Meile
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