Lustvolles Erwachen
Bestrafung nicht wie ein Mann gestellt hätte, hätte er ihn vernichtet. Aber er hatte ihm eine Lektion erteilt.
»Danke, Sir«, nuschelte der Junge. Ein Handtuch an sein Gesicht gepresst, verneigte er sich vor Diccan. »Ich glaube, ich habe verstanden, was Sie mir damit zeigen wollten.«
Diccan verspürte noch immer den Wunsch, irgendetwas zu schlagen. Doch nicht diesen Jungen, der zur Einsicht gekommen war. Er erwiderte die Verneigung. »Achten Sie darauf, dass Sie den Fehler nicht noch einmal machen. Vergessen Sie nicht, was mit Ihrer Nase passiert ist.«
»Das wird ihm eine Lehre sein. Großartig«, hörte Diccan jemanden zu seiner Rechten sagen. Er wandte den Kopf und erblickte Geoffrey Smythe, der lächelnd auf ihn zukam. »Ich bin froh, dass ich Ihrer Frau stets mit Respekt begegnet bin.«
Diccan spürte, wie es in ihm zu brodeln begann. Er mochte diesen aalglatten blonden Jungen nicht. Der Mann hatte etwas Hinterlistiges an sich. Aber ein warnender Blick von Ian reichte, und Diccan riss sich zusammen und hielt den Mund.
Er schlüpfte in sein Hemd und zuckte mit den Schultern. »Diese kleinen Lektionen sind ermüdend, für die Erziehung eines Gentlemans allerdings unerlässlich.« Mit einem weiteren Schulterzucken warf er ihm ein erschöpftes Lächeln zu.
Ian wirkte besorgt. Smythe wirkte belustigt. Diccan wurde es übel. War er nicht vor Kurzem erst eindringlich gewarnt worden, Grace vorerst zu ignorieren? Ihr gegenüber keine Herzlichkeit zu zeigen? Hier stand Smythe und suchte offenbar nach seiner Achillesferse. Und er ahnte nun, dass Grace diese Achillesferse war.
»Ich habe guten Schnaps – uisce beatha – im Club«, schlug Ferguson vor, während Smythe davonschlenderte.
Mit einem Nicken ging Diccan zur Tür. In Zukunft würde er sich mehr anstrengen müssen. Er musste Grace beschützen. Wenn ein verzogener Bursche sie das nächste Mal im Park zu Fall brachte, würde er wegsehen müssen.
Wahrscheinlich spielte das jedoch keine Rolle mehr. Denn wahrscheinlich hatte er bereits einen verhängnisvollen Fehler begangen.
Diccan kam in dieser Nacht nicht nach Hause. Grace wusste, dass sie es gar nicht hätte bemerken sollen. Doch sie hatte es allmählich satt, dass sie sich Hoffnungen machte, die dann wieder enttäuscht wurden. Sie war es leid, Diccans Aufmerksamkeit weder mit Souveränität noch mit Gewalt bekommen zu können. Und sie hasste sich selbst dafür, dass sie, nachdem sie von seinem Bruder gehört hatte, bereit war, ihm sein gedankenloses Verhalten zu verzeihen.
Wenigstens war ihre Garderobe geliefert worden. Als sie von ihrem einsamen Frühstück zurückkehrte, fand sie auf ihrem Bett Kleidung in allen Farben und Formen. Ihr Herz machte einen Sprung. Endlich. Ein weiterer Schritt nach vorn. Eine Chance, um … um was? Um die Aufmerksamkeit ihres Mannes zu ergattern? Um der feinen Gesellschaft gegenübertreten zu können, ohne Angriffsfläche zu bieten? Um sich selbst zu demütigen, indem sie versuchte, aus einem Ackergaul ein Rennpferd zu machen?
»Das Grüne, denke ich, Ma’am«, sagte Schroeder, ohne aufzusehen. Sie sortierte gerade Unterwäsche in den Schrank. »Ich habe es schon für Sie herausgelegt. Und ich hoffe, Sie halten mich nicht für anmaßend, aber Lady Kate hat mir den Namen eines Friseurs gegeben. Er wird heute Nachmittag vorbeikommen.«
Instinktiv hob Grace die Hand, um ihr zurückgebundenes Haar zu berühren. Es war so lange her, dass sie etwas anderes damit getan hatte, als es sich aus dem Gesicht zu kämmen. »Das wäre schön.«
Bevor sie die Gelegenheit hatte, sich umzuziehen, klopfte es an der Tür. Sie öffnete. Ein Diener wartete draußen.
»Entschuldigen Sie, Ma’am. Unten ist ein Herr, der Sie sehen möchte.«
»Schicken Sie ihn nach oben.«
»Äh … nein. Er … äh … kann nicht. Er möchte Sie draußen vor der Tür treffen.«
Grace folgte dem Jungen nach unten. Sie war sich nicht sicher, was sie erwartete, doch sie hätte nie mit dem gerechnet, was sie kurz darauf erblickte. Vor dem Hotel auf dem Piccadilly stand ein kleiner o-beiniger Mann mit knallrotem Haar, einem schelmischen Lächeln und zwei erstklassigen Pferden am Zügel.
»Harps?«, flüsterte sie überwältigt.
Ein Grinsen erstrahlte auf seinem Gesicht. In den Händen hielt er die Zügel eines gescheckten Wallachs und einer kohlrabenschwarzen Andalusierstute, die bei Grace’ Anblick sofort anfing, leise zu wiehern. Grace schossen Tränen in die Augen. Sie ertappte sich dabei, dass
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