Luther. Die Drohung
die schwache Vorahnung eines Katers am
nächsten Morgen, die vom hellen, gleißenden Licht überstrahlt wird, in dem die
Betrunkenen tanzen.
Aber jetzt gerade spürt sie nur die Befriedigung, fasziniert zu
sein. Und zu faszinieren.
Als sie widerwillig vom Bett aufsteht und nackt in die Dusche geht,
weint sie nicht und lacht sie nicht. Sie wäscht sich einfach und versucht,
nicht nachzudenken.
Paula arbeitet schon seit mehr als zwölf Jahren im
ältesten Gewerbe der Welt. Während dieser Zeit hat sie so ziemlich alles
verkauft, was sie zu verkaufen hat. Aber sie fand ihre persönliche Nische erst,
als sie mit der erotischen Laktation anfing. Das war ein paar Monate nach Alex’
Geburt.
Nun bietet sie ihre Dienste unter dem Namen Finesse an. Im Vergleich
zu so mancher Scheiße, die sie als jüngere Frau durchgemacht hat, ist es leicht
verdientes Geld – sie kann ihre Arbeitszeit in einer sauberen kleinen Wohnung
verbringen, und die meisten ihrer Milchliebhaber sind treue Kunden, Männer
mittleren Alters, die eine Erwachsenen-Stillbeziehung suchen, wie sie es
nennen. Manchmal wollen sie das komplette Programm durchspielen und in die
Rolle eines Säuglings schlüpfen, mit Windeln und allem drum und dran.
Manche Männer wollen mit Muttermilch bespritzt werden, während sie
masturbieren. Einer oder zwei mögen es, wenn sie Milch mit einer Handpumpe
abpumpt, während sie zusehen und sich einen runterholen. Sie nehmen die Milch
mit nach Hause, um sie zu trinken oder damit zu kochen oder weiß Gott was zu
machen. Paula kümmert das nicht sonderlich, welchen Schaden kann so ein kleines
bisschen Milch schon anrichten?
Eine sehr kleine Minderheit sind lesbische Kundinnen. Sie hat sogar
ein lesbisches Paar. Sie mögen es, sich jeweils an einen Nippel zu hängen und
zu trinken, bevor sie ihr Ding machen.
Paula urteilt nicht. Sie macht einfach weiter, nimmt ihr Domperidon ,
ihr Benediktenkraut, ihre Himbeerblätter und ist dankbar für das, was sie hat.
Deswegen ist sie überrascht, als sie diesen unschuldig wirkenden
jungen Mann vor ihrer Tür stehen sieht, der behauptet, Gary Braddon habe sie
empfohlen.
Braddon ist einer dieser tough aussehenden Männer mit Tattoos und
kahl rasiertem Schädel, aber eigentlich ist er eine gute Seele, ein Softie.
Liebt seine Hunde, liebt es, Milchtitten zu küssen und daran zu knabbern und zu
saugen.
Paula versucht den Jungen einzuschätzen. Er ist mager, angespannt.
Er riecht nicht unangenehm nach frischer Erde. Sie kann sich vorstellen, dass
er ein Freund von Gary ist. Also bittet sie ihn herein.
Er betrachtet die Kunstdrucke, die sie in der kleinen Diele
aufgehängt hat – christliche Kunst, andeutungsweise erotisch –, die die
Lactatio des Heiligen Bernhard zeigen, bei welcher der Heilige Milch aus der
Brust der Jungfrau Maria empfängt.
Paula hat ihren Nachbarn von unten, einen Innenarchitekturstudenten,
damit beauftragt, die Wohnung für sie zum Selbstkostenpreis zu dekorieren. Er
ist ein netter Hetero-Junge, ihr Chris von unten, also hat sie ihm die
Materialkosten erstattet und ihn zusätzlich in Naturalien bezahlt, und alle
waren glücklich.
Zusammen mit der gedimmten Beleuchtung verleihen die Drucke den
Vorgängen den richtigen Hauch von Feierlichkeit. Im Gegensatz zu den meisten
Apartments, in denen ähnliche Dienste angeboten werden, ist dies hier ein Ort
der Erbauung und Verehrung.
Nun mustert der Junge sie von oben bis unten. Er wagt es nicht, ihr
ins Gesicht zu sehen, aber das wagen sie anfangs nie. Viele der Jüngeren hatten
nie eine Mama. Sie sehen ihr erst dann in die Augen, wenn sie auf ihrem Schoß
liegen und nuckeln. Manchmal streicht sie ihnen durchs Haar und flüstert
sanfte, ermutigende Worte. Manchmal weinen sie, wenn sie kommen, wichsen Paulas
Bauch ganz voll.
Finesse macht das nichts aus. Sie freut sich. Es scheint zu helfen.
Der Junge greift in die Tasche seines Army-Mantels und holt ein
Bündel Zehner heraus. Er versucht es ihr aufzudrängen – eine Faustvoll
schmieriges Geld in ihren hübschen, sauberen Händen mit der hübschen Maniküre.
Sie sagt: »Das muss nicht jetzt sein, Schätzchen.«
Er blinzelt sie an, beschämt und verwirrt.
»Komm doch kurz rein, zieh deinen Mantel aus, setz dich, und wir
unterhalten uns ein bisschen«, schlägt sie vor.
Aber der Junge entspannt sich nicht. Er sieht nervös aus, verlagert
sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, als müsste er aufs Klo.
Er folgt ihr in das kleine Empfangszimmer. Auch hier
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