Luther. Die Drohung
gehen. Danach könntet ihr
euch vielleicht an die örtliche Stillberatung wenden. Vielleicht findet ihr ein
paar junge Mütter, die bereit sind zu helfen. So was nennt sich heutzutage
Cross-Nursing, aber das ist nur eine neumodische Bezeichnung für die Tätigkeit
einer Amme. Das solltet ihr meiner Meinung nach tun.«
Der Junge wird noch unruhiger. Er greift in seine andere Tasche,
holt eine weitere Faustvoll Geld hervor. »Das ist alles, was ich habe.«
»Es geht nicht um Geld, Liebling.«
»Bitte. Er bringt mich um.«
»Ich mach dir einen Vorschlag«, sagt Paula. Sie spürt, dass ihre
Handflächen feucht sind. Sie muss diesen Jungen aus der Wohnung rausbekommen.
Sie ärgert sich, dass sie ihn hereingelassen hat, lässt sich aber nichts
anmerken.
»Bitte«, sagt der Junge. Sein Gesicht ist grau vor Elend und Furcht.
»Gib mir die Telefonnummer von deinem Dad«, sagt sie. »Ich rede mal
mit ihm.«
»Kann ich nicht.«
»Dann ruf du ihn doch selber an und gib mir dein Handy. Ich rede ein
Wörtchen mit deinem Dad, sag ihm, wie toll du warst.«
»Er bringt mich um.«
»Komm schon. Nicht weinen.«
»Ich meine das ernst«, sagt er. »Ich meine, er bringt mich wirklich
um. So was hat er schon mal gemacht. Bitte.«
Jetzt kann Paula nichts anderes mehr hören oder sehen als diesen
verzweifelten, aufgelösten Jungen am Ende eines Tunnels.
Hinter einer falschen Rückwand in der linken Schublade der kleinen
Kommode befinden sich ein Pfefferspray und eine Elektroschockpistole. Oben auf
der Kommode, neben dem Festnetztelefon, liegt ein kleiner Block mit
parfümiertem Papier.
»Wo gehen Sie hin?«, fragt der Junge.
»Ich schreibe deinem Dad einen Zettel.«
Der Junge springt auf. Seine schmalen Schultern zucken.
»Kommen Sie«, fleht er, »bitte. Nur einmal. Kommen Sie nur ein
einziges Mal mit zu uns.«
»Ich kann nicht, Schätzchen«, sagt Paula. Ihre Stimme ist noch immer
ruhig, ein wenig fester nun. Aber ihre Hand zittert, während sie so tut, als
suchte sie einen Stift. Ihr Gesicht ist angespannt. Sie versucht, es zu
überspielen, aber ihre Gesichtszüge fühlen sich grotesk und unnatürlich an.
»Ich bin sicher, wenn er den Brief liest, passiert dir nichts.«
Der Junge geht auf und ab, murmelt vor sich hin. Paula wagt es
nicht, sich umzusehen, aber sie glaubt, dass er sich die Haare rauft.
»Bitte«, sagt er, »bitte bitte bitte.«
Sie macht die Schublade auf. Holt die kleine Mace -Dose heraus und
dreht sich zu ihm um.
»So«, sagt sie. »Ich habe dich freundlich gebeten, und ich bitte
dich noch einmal freundlich. Bitte geh.«
Der Junge sieht sie bestürzt an.
Er weicht zurück, stolpert über die Möbel.
»Raus jetzt«, sagt sie.
Der Junge rappelt sich auf, greift in seine andere Tasche. Sie
braucht einen Moment, um zu erkennen, was er aus der Tasche zieht.
Es ist ein Drehmomentschlüssel.
Der Junge holt aus, noch immer heulend.
Nein, denkt Paula, nicht
so .
Luther und Howie betreten den Vernehmungsraum.
Sheena Kwalingana sitzt an einem schäbigen Tisch, eine Tasse Tee mit
viel Milch in der Hand.
Luther bleibt stehen, zwingt sich, sich zu entspannen. Er deutet auf
einen Stuhl. »Darf ich?«
Sheena Kwalingana bejaht.
Howie reißt neue Tonbänder auf, steckt sie in den Rekorder, schaltet
das Gerät ein. Versichert sich, dass Mrs Kwalingana weiß, dass die Vernehmung
aufgezeichnet wird.
Mrs Kwalingana gibt ihr Einverständnis.
Sanft, mit einer Stimme, die die Zeugin gleichermaßen beruhigen wie
informieren soll, wiederholt Luther seinen Namen und Dienstgrad. Er bittet Mrs
Kwalingana, ihren Namen, ihre Adresse und ihr Geburtsdatum zu bestätigen, was
sie tut, nachdem sie sich geräuspert und einen Schluck bitteren Tee getrunken
hat.
Da er weiß, dass ihre Kehle vor Nervosität trocken ist, holt Luther
ihr einen Becher Wasser aus dem Wasserspender vor der Tür. Sie nimmt ihn mit
einem Ausdruck scheuer Dankbarkeit an.
Dann, ebenso sanft, fragt Luther: »Können Sie mir sagen, was am
siebzehnten Januar dieses Jahres geschehen ist?«
»Das habe ich Ihnen schon gesagt.«
»Fürs Protokoll. Nur noch einmal, bitte. Es könnte sehr wichtig
sein.«
»Ich verstehe nicht, wieso.«
»Bitte«, sagt er.
»Bei mir wurde eingebrochen«, erzählt Mrs Kwalingana. »Ein Mann ist
in meine Wohnung eingebrochen. Er hat ein paar Dinge mitgenommen und ist
abgehauen. Keine große Sache.«
Howie schaltet sich ein. »Aber das ist noch nicht alles, oder?«
»Wie meinen Sie das?«
»Bitte sagen Sie uns alles, was
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