Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
doch noch und sagte zu. Bei dieser Gelegenheit könnte sie gleich ihrer Mutter einen Überraschungsbesuch abstatten, und sie selbst käme vielleicht auf andere Gedanken. Anna schaute sich in ihrem Zimmer um: Hier erinnerte sie alles an eine unglückliche Liebe.
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Jason, Leander und der alte Abt saßen im Halbkreis auf Bodenkissen in einem gemütlichen, mit vielen bunten Teppichen ausgelegten Raum, in dem ein wärmendes Feuer brannte. Einer der Mönche hatte Tee gebracht und Abt Norbu schenkte diesen mit einer fast zeremoniell wirkenden Ruhe aus, obwohl Jason fast vor Neugier platzte.
Nachdem sie alle einen Schluck aus den zierlichen, henkellosen Tassen aus hauchdünnem Chinaporzellan genommen hatten, kam der alte Tibeter auf das Wesentliche zu sprechen.
„Offenbar habt ihr den Schlüssel zu eurer Suche entdeckt“, sagte er zu Leander gewandt. Dieser nickte.
„Doch ihr wisst noch nicht, worauf er passt“, ergänzte der Alte.
Wieder nickte der Halbengel. Der Abt erhob sich und zog zielsicher aus einem der Holzregale hinter ihm eine der zahllosen Pergamentrollen heraus. Wieder auf dem Boden angekommen rollte er sie vor den Besuchern aus. Es war eine alte, von Hand gezeichnete Landkarte, soviel konnten seine Gäste auch erkennen. Aber diese Karte zeigte Grenzen, die längst nicht mehr existierten! Man konnte die heutigen Länder Pakistan, Indien und Afghanistan nur erahnen.
„Seht her“, Norbu tippte dabei mit seinem Finger auf eine Stelle im Hochgebirge. Ein altes Kloster war dort verzeichnet.
„Das alte Felsenkloster ist seit den letzten Grenzstreitigkeiten vor vielen hundert Jahren verlassen und längst vergessen worden. Kein Mensch kennt den alten Pfad dort hinauf, wenn er überhaupt noch existiert. Nur die Adler erzählen noch seine Geschichte. Was ihr dort finden werdet, kann furchtbar sein. Oder auch eine Waage, die alles im Gleichgewicht hält“, sinnierte er dabei.
Offenbar liebte es der weise Tibeter, in Rätseln zu sprechen. Selbst Leander machte jetzt einen etwas überforderten Eindruck.
Norbu schmunzelte in sich hinein und nahm genüsslich einen weiteren Schluck Tee aus seiner Tasse. Diese Europäer mussten lernen, geduldiger zu sein.
„Ich will es für euch verständlich ausdrücken.“
Jason atmete auf.
„Wenn ihr die Schlafenden erweckt, dann nur so viele, wie ihr Gegner habt. Alles muss im Gleichgewicht bleiben“, mahnte Norbu mit erhobenem Zeigefinger.
Jason verstand immer noch kein Wort.
„Jeder der Schlafenden darf nur ein einziges Mal erwachen. Da sie dem Blutfluch für immer abgeschworen haben, werden sie vernichtet, wenn sie für euch töten, egal wen. Sie bezahlen immer mit dem eigenen Leben.“
Leander begann langsam zu begreifen. Jason überlegte sich, wer sich diese Spielregeln schon wieder ausgedacht haben mochte.
„Ein altes Gesetz aus Atlantis“, zischte der Halbengel seinem Freund zu, als er diesen Gedanken auffing.
„Und wie kann man sie aufwecken?“, fragte der junge Vampirfürst jetzt direkt.
Leander blickte ihn zurechtweisend an. Sein ungestümer Freund musste wirklich noch viel lernen!
Aber Norbu sah über diese Unhöflichkeit großzügig hinweg.
„Dazu braucht ihr die kleine Chime “, lächelte er. „Ein Tropfen ihres kostbaren Blutes auf den Lippen eines Schlafenden genügt.“
„Wir müssen sie also mitnehmen?“, protestierte Leander ungewollt heftig.
Ihm wurde dabei schmerzlich bewusst, dass er seine Tochter damit schon sehr viel früher als geplant auf all diese Dinge vorbereiten musste.
Norbu nickte.
„Ja, und das Buch. Das alte Ritual muss dabei gesprochen werden.“
Der Atlanter wusste, wovon der Abt sprach. Das gleiche Ritual aus dem Buch Azraels war gemeint, das Jason zweimal ins Leben zurückgerufen hatte. Aber normalerweise verlangte der Todesengel doch eine andere Seele als Gegenleistung?
Der Tibeter schien seine Gedanken zu erraten.
„Das Göttliche steht über dem Tod“, sinnierte er wiederum in Rätseln.
„Ihr meint, das, was wir erwecken, ist immer noch sterblich und gottgeweiht, auch wenn es sich um Vampire handelt?“, fragte Leander ungläubig.
„So ist es. Diese Wenigen sind Gott trotz ihrer Abstammung niemals untreu geworden.“
„Aber was ist mit dem Blut dieser Erleuchteten?“, warf Jason jetzt ein.
„Die Erleuchteten waren selbst Mönche, die sich aus freien Stücken opferten, um die Seelen der Unglücklichen für Gott zu bewahren. Alles geschah aus dem Glauben heraus und für das Gute.
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