Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
Sprache“, lächelte Tenzin Norbu, der alte Abt des abgelegenen Klosters. Sein Lächeln war genauso unergründlich, wie der Blick, den er den plötzlich aufgetauchten Besuchern aus dem fernen Europa schenkte. Leander hatte Jason kurzerhand mit Hilfe seiner Teleportationsfähigkeiten in diese vergessene Ecke der Welt verbracht, ganz einfach, um Zeit zu sparen.
„Wir wissen natürlich längst, dass sie etwas ganz besonderes ist. Sie trägt das Blut der Götter in sich, genau wie Sie damals sagten“, fügte der Abt mit einer leichten Verbeugung hinzu, ohne sein Lächeln zu unterbrechen. Leander und Jason fragten sich unwillkürlich, wie viel dieser alte Mann wirklich wusste, der – obwohl klein an Körpergröße – groß an Weisheit schien. Sonst hätte er wohl kaum dem Atlanter den Code für Azraels Bibel geschickt und darauf vertraut, dass dieser ihn entziffern würde!
Die Rede war von Ayleen, die, zusammen mit den Kindern aus dem Dorf und den umliegenden Bauernhöfen, hier unterrichtet wurde und gerade im Innenhof des säulenbewehrten Klosters Fangen und Verstecken spielte. Sie überragte alle übrigen Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren. Aber auch sonst war das Mädchen eine auffallende Erscheinung. Ihr langes, weißblondes, gelocktes Haar war vom Bergwind zerzaust und hob sich deutlich ab von den schwarzhaarigen, dunkelhäutigen Mitschülern mit den bunten Mützen auf dem Kopf. Ayleen trug nicht einmal eine der wattierten Jacken, die die Menschen hier oben vor der eisigen Kälte schützten. Obwohl es jetzt Sommer war, spürte man in dieser Höhenlage immer einen schneidenden Wind. Gleichzeitig brannte die Sonne herab. Aber dem Kind schien die raue Witterung überhaupt nichts auszumachen. Ihre Augen strahlten wie Amethyste und ihre ebenso hell schimmernde Haut schien von innen heraus zu leuchten. Eine seltsame Magie ging von ihr aus. Ihre Bewegungen waren nicht so schwerfällig wie die der Menschen. Ihr Spiel hatte eine tänzerische Leichtigkeit an sich. Dieses Kind war kein Kind. Das musste selbst einem Unbeteiligten auffallen. Ihr Vater, Leander Knight, bemerkte dies mit einem Stich in seinem Herzen und einem sorgenvollen Blick auf Jason, der neben ihm auf der Galerie des ersten Stockwerkes stand und dem bunten Treiben dort unten im Hof zusah.
Nur zehn Menschenjahre , dachte der Halbengel, und sie sieht bereits aus wie ein Teenager. Sie wird viel zu schnell erwachsen.
Dennoch betrachtete er seine graziöse Tochter nicht ohne Stolz. Er konnte keinerlei Dunkelheit in ihrem Geist feststellen. Nichts, was an ihre Abstammung von einer mächtigen Lamia-Vampirin gemahnte. Jason schien den gleichen Gedanken zu hegen. Er hatte sie zuletzt als Baby gesehen.
„Sie gleicht eher dem Bild einer Elfe als jemandem von unserer Rasse“, in seiner Stimme schwang so etwas wie Bewunderung mit. Er hatte schon so viele schöne Vampire gesehen, männliche und weibliche. Aber keiner glich diesem Zauberwesen da unten. Er riss sich von dem Anblick los und drehte sich zu seinem Freund um.
„Wann wird die Zeit für sie stehen bleiben?“, fragte er den Atlanter direkt und dieser wusste genau, was er meinte. Leander wandte keinen Blick von den spielenden Kindern im Hof.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber wenn es nach Lady Alderley gegangen wäre, dann schon sehr bald. In etwa vier bis sechs Jahren wird sie ausgewachsen sein und nicht mehr altern.“
Was bedeuteten schon vier Jahre für ein Geschöpf der Ewigkeit? Dann würde sie etwa die Reife einer Achtzehn- bis Zwanzigjährigen im Menschenalter besitzen. Im Falle eines Kampfes würde sie also erst in vier Jahren eine Verbündete werden können.
Im gleichen Augenblick unterbrach Ayleen ihr unbeschwertes Spiel und blickte hoch, als hätte sie die Anwesenheit ihres Vaters gespürt. Leander lächelte sie an. Sie lächelte zurück und winkte nach oben. Dann fiel ihr Blick auf den ungewöhnlich hübschen, überschlanken Mann neben ihrem Vater. Für einige Sekunden trafen sich ihre und Jasons Augen. In diesen Sekunden prägte Ayleen sich das Gesicht dieses Mannes ein. Es war nicht nur schön, sondern auch unendlich traurig. Dann mahnte die große Messingglocke am Tor die Kinder, dass es Zeit für sie war, den Unterricht fortzusetzen.
Leander wandte sich an den Abt, der hinter ihnen stand. Der kleine Mann, dessen wahres Alter schwer zu schätzen war, schien in dem bodenlangen karmesinroten Gewand mit dem ockergelben Randstreifen fast zu
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