Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
Der Halbengel bat den Abt, seine Tochter kurz unter vier Augen sprechen zu dürfen, bevor der Unterricht beginnen würde. Norbu stimmte zu und ließ das Mädchen in seine Gemächer holen.
Leanders ernstem Gesicht nach zu urteilen, musste es sich um etwas Wichtiges handeln, soviel erkannte Ayleen sofort. Mit einfachen Worten erklärte der Atlanter seinem Kind, worum es ging und welche Aufgabe sie erwartete. Die Kleine schaute ihn aus ihren violetten Augen an, als wüsste sie all dies bereits. Sie hatte ihn nicht einmal unterbrochen oder eine Frage gestellt, geschweige denn, so etwas wie Angst gezeigt! Ihre gefasste Ruhe verwirrte den Halbengel. Was würde sie erst sagen, wenn sie erfahren würde, dass er sie mit Lichtgeschwindigkeit in dieses verborgene Kloster schaffen würde?
Ob sie wohl einmal die gleichen Fähigkeiten zu Lichtreisen entwickelt?, fragte er sich verwundert.
Er sah Ayleen lächeln bei diesem Gedanken und wusste nun zumindest, dass sie in der Lage war, diese zu lesen.
Kannst du mich verstehen?, fragte er daher zur Sicherheit nochmals im Stillen.
Ayleen sandte ihm eine Antwort: Ja, Vater, ich höre Gedanken und sehe die Bilder in meinem Kopf. Aber leider nicht immer.
Leander musste lächeln. Sie hatte bereits unglaubliche Fähigkeiten entwickelt. Kein Wunder, dass sie so rasend schnell lernte und bereits mehrere Sprachen beherrschte.
„Wo ist dein Freund?“, fragte sie dann laut hinterher.
„Hier!“, kam eine Stimme von der Türe her.
Jason konnte zwar aufgrund seiner Rasse nicht müde sein, doch er wirkte angespannt.
Wieder traf Ayleens forschender Blick sein Gesicht.
Ich habe deine Seele gesehen gestern Abend, sagte sie leise in seinen Kopf hinein und zeigte ihm dabei das Bild, wo er gestern Abend auf der Bank gesessen hatte.
Jason wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er konnte vor diesem Geschöpf nichts geheim halten, soviel stand fest!
Leander beobachtete die beiden. Er spürte, dass seine Tochter mental Kontakt mit dem Vampirfürsten aufgenommen hatte. Doch er konnte seinerseits nicht in ihre mentale Welt eindringen. Er wusste sich, ob er sich darüber ärgern oder freuen sollte. Sie verstand bereits jetzt, sich abzuschirmen und völlig zielgerichtet zu agieren. Eine Fähigkeit, die entweder einem alten Vampir oder einem noch älteren Engel zu Eigen war.
„Können wir aufbrechen?“, fragte der Atlanter jetzt etwas ungehalten.
„Natürlich“, lächelte Jason und reichte Ayleen die Hand.
Leander nahm ihre andere Hand und ein gleißendes Licht beförderte die Drei aus dem Kloster direkt in die zugigen Mauern hoch im Gebirge. Es war eisig kalt, obwohl die Sonne schien. Der Wind dröhnte in den empfindlichen Ohren und wirbelte die Haare durcheinander. Sie waren mitten in einem der Gänge gelandet, die nur eine halbhohe Balustrade vor dem Abgrund trennte. Zerrissene Gebetsfahnen flatterten knatternd zwischen den hohen Säulen, von denen einige bereits massive Witterungsschäden zeigten und bald von der oberen Felswand, die das Dach bildete, zerstört werden würden.
Sie bewegten sich vorsichtig in diesen altehrwürdigen Mauern und erreichten schließlich die Halle mit den ehemals prächtigen Wandgemälden der Schöpfungsgeschichte. Ihre Farben erloschen bereits. In der Mitte der Halle befanden sich die schlichten, steinernen Grabbehältnisse der geheimnisvollen letzten Vampire von Atlantis, neun an der Zahl.
„Nur so viele erwecken, wie wir Gegner haben“, murmelte Leander. Er wusste nur von drei neuen Meistern. Aber was, wenn es doch mehr von ihnen geben würde? Wenn sie bereits das eine oder andere Opfer doch gewandelt hatten? Er seufzte. Jason und Ayleen blickten ihn an.
„Drei“, sagte er mehr zu sich selbst.
„Aber welche drei?“, fragte Jason nach.
„Keine Ahnung. Ayleen, ich muss dir allein die Wahl unserer zukünftigen Verbündeten überlassen“, wandte er sich an seine Tochter, die staunend die ungewöhnliche Umgebung betrachtete. Sie spürte, dass sie zu dieser seltsamen Welt gehörte, ein Teil von ihr war.
Langsam schritt sie die Reihe der nebeneinander stehenden Sarkophage ab, wie ein kleiner Feldmarschall, der sich seine Soldaten für ein Heer zusammenstellte. Den einen oder anderen der steinernen Deckel berührte sie mit ihrer kleinen Hand. Dann hatte sie ihre Wahl getroffen und wies den beiden Männern die ausgewählten Grabbehälter zu. Niemand von ihnen wusste, was sie nun erwartete. Leander und Jason hoben die Deckel an.
Was sie
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