Lux Aeterna (German Edition)
fürchtet mich mehr als du. Ich will einem Feind Respekt erweisen und schwöre dir bei meiner Unsterblichkeit, dass ich dir kein Leid zufügen werden.“ Nolan sprang von dem Wallach, der in Panik davon galoppierte. Noch im Sprung zog er die Waffe aus seinem Gürtel, das Horn des Einhorns leuchte milchigweiß im Licht des Mondes.
„Nun denn, hier bin ich und wie du siehst, ich bin bewaffnet.“
Wieder musste Dhrakor spöttisch lachen. „Ich sehe es.“ Dann trat er näher, schlang seinen rechten Arm um Nolans Taille und mit einem Ruck entfaltete er die schwarzen Schwingen, die denen einer Fledermaus glichen. Bedroht von der Waffe Nolans, die auf seine Flanke zeigte, trug er diesen hinauf in die schwere, kalte Nachtluft, immer höher und weiter. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, den schlanken Mann hinunterfallen zu lassen, doch der Befehl seines Herrschers klang ihm in den Ohren: „Bring mir den unsterblichen Knaben, der weder Mensch noch Engel ist, sobald dieser bereit für uns ist. Ich will dieses teure Blut kosten.“ Die Gier hatte in den schwarzen Augen des Vampirfürsten ein Feuer entfacht, wie es Dhrakor noch nie gesehen hatte. Nolans Kampf gegen die Vampire war lange durch die Augen seiner Gefolgsleute von Antaris beobachtet worden, und er musste viele seiner Schattenkinder opfern. Nolans schöne Gestalt und seine charismatische, unschuldige Art faszinierten ihn. Ein Löwe, der eine Gazelle beäugte. Die Reinheit der Liebe, die ein Einhorn ausstrahlt, lag immer noch in Nolans Augen und Gesten. Antaris hatte geduldig gewartet, bis zu dem Tag, an dem der sonst so überirdisch starke Kämpfer Nolan von der Schwäche seiner Sehnsucht überwältigt wurde, die sein Dasein unerträglich machte. Er hatte auf dieser Welt nie eine Gefährtin gefunden!
In der Ruine einer alten Festung im Hochland wurden sie erwartet. Fackeln an den Wänden wiesen den Neuankömmlingen den Weg tiefer hinab in die feuchtkalte Dunkelheit. Nolan hielt das Horn des Einhorns fest in seiner Hand. Dann – nach endloser Zeit – stand er dem erstgeborenen Vampir leibhaftig gegenüber. Nolan staunte. Kein Ungeheuer kam ihm da entgegen, kein gewandelter Mensch, dessen Unzulänglichkeit durch die Gabe der dunklen Schönheit ausgelöscht wurde. Das da war die makellose Gestalt eines Engels. Ehrfurcht gebietend und von einer Reinheit, die ihn magisch anzog. Die schwarzen Augen von Antaris glichen der sternübersäten Tiefe des Universums und verschlangen den Willen des jungen Kriegers auf den ersten Blick.
Ebenso dunkles Haar floss die starken Schultern hinab fast bis zur Hüfte. Das Gesicht des Vampirfürsten war männlich, doch mit durchaus weichen Zügen. Ein Herrscher, dessen Macht auf einer Mischung aus Verführung und Grausamkeit beruhte.
Wie ein Vater seinen lange verloren geglaubten Sohn begrüßt, so ging Antaris auf seinen Todfeind zu, mit weit ausgebreiteten Armen. Sein Gang war leicht, trotz seiner Größe, fast tänzerisch trat er auf seinen Gast zu. Das weit geöffnete, weiße Hemd umspielte den muskulösen Oberkörper. Das schwarze Beinkleid wurde von einem breiten Gürtel gehalten.
„Hier bin ich nun“, sagte er zu Nolan. Sein Tonfall war ruhig, fast hypnotisch. „Töte mich, wenn du kannst.“
Aber Nolan starrte seinen Erzfeind nur an. Hier und jetzt hätte sein Kampf und der aller Menschen ein Ende finden können. Aber er war unfähig, sich zu rühren, geschweige denn, einen klaren Gedanken zu fassen. Das hier war ein gottgleiches Wesen der Finsternis – der Erstgeborene!
Nah, ganz nah, war das Gesicht von Antaris nun an dem seinem. Sein kalter Atem streifte ihn. Die Lippen berührten fast seine Haut. Warum stach er nicht zu?
„Wagst du es nicht, oder willst du es nicht?“, flüsterte der Fürst der Vampire mit eindringlicher Stimme.
Ein Zittern durchlief Nolans schlanken Körper. „Ich – will es nicht.“ Dieser Satz kam eher wie ein leises, ergebenes Seufzen über seine Lippen.
Nolans Herz schlug so heftig, dass der Fürst der dunklen Engel es wie einen dumpfen Trommelschlag wahrnahm. Was war das für ein Gefühl, dass selbst das Band zu seiner Seelengefährtin zwar nicht auslöschen, aber doch verdrängen konnte? Begierde? Seit seiner Existenz als menschliches Wesen war er von all diesen Dingen unberührt geblieben. Keine Frau hatte ihn jemals interessiert. Und was war das jetzt?
Antaris lächelte geheimnisvoll. Behutsam schlang er seine Arme um ihn und zog ihn zärtlich an sich. Nolan ließ es
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