Lux Aeterna (German Edition)
nicht begegnet.
Zu der Zeit, als die Menschen noch größtenteils die alten, heidnischen Religionen pflegten, fürchteten sie die Dunkelheit und verbargen sich bei Anbruch der Dämmerung in ihren Behausungen. Wer aber noch des Nachts unterwegs sein musste, war seines Lebens nicht sicher.
Im Gasthaus eines schottischen Dorf auf dem Weg nach Inverness saß Nolan bei einem Glas Wein in der Stube, in der Kerzen und das flackernde Kaminfeuer mit den Schatten an den Wänden spielten. Das Stimmengewirr der Gäste, ihr Lachen und ihre Trunkenheit erfüllten den Raum, doch es störte ihn nicht. In seinem Herzen quälte ihn die Sehnsucht nach der verlorenen Gefährtin. Der Schöpfer hatte ihm die Erinnerung an seine frühere Existenz genommen, so dass nur Träume und ein ungewisses Gefühl der Traurigkeit in ihm verblieben. Seine restlichen Erinnerungen hatte er in einen Siegelring fassen lassen, den Kopf eines Einhorns, um dessen Horn sich eine Rose rankte. Nolans schöne, violettblaue Augen in dem schmalen aristokratischen Gesicht mit den hohen Wangenknochen blickten in den Becher vor ihm, verloren sich in dem Schimmern des Rotweins, der ihn an die Bluttrinker erinnerte. Sollte ihn seine Entscheidung reuen, den Menschen zur Seite stehen zu wollen im Kampf gegen das Böse?
Mit einem lauten Knarren öffnete sich die Holztür und eine große, in einen dunklen Umhang aus schwerem Tuch gekleidete Gestalt betrat den stickigen Gastraum, in dem es nach Essen, Wein und Rauch roch. Beim Eintreten des späten Gastes schien die Zeit für eine Weile den Atem anzuhalten, die Gespräche verstummten und selbst das Feuer hielt scheinbar inne in seinem Flackern. Mit dem Besucher kroch eine seltsame Kälte hinein, die Nolan erschauern ließ. Er wandte sich um. Das da war kein Wesen aus Fleisch und Blut. „Dhrakor“ , dachte er nur. „Der getreue Vasall von Antaris.“
Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke in der Ewigkeit. Der Vampir war kräftig von Statur und etwa Mitte Vierzig. Ein markantes Männergesicht mit einer Narbe über der linken Wange. Zu Lebzeiten musste er ein Krieger gewesen sein. Seine stechenden, dunklen Augen schweiften über den Raum. Weit entfernt vom wärmenden Feuer hatte er sich nieder gelassen, und der Wirt fragte ihn nach seinen Wünschen. Dhrakor bestellte einen Becher Wein, doch dieser blieb unberührt. Ihn interessierte vielmehr ein Gast, in dessen Gedanken er Sehnsucht und Verzweiflung spürte. Dieser junge Kämpfer da drüben war müde seines Kampfes, vielleicht wusste er dies selbst noch nicht einmal.
Nolan beobachtete den Vampir, den nur er als solcher erkannt hatte, aus den Augenwinkeln. Dhrakor schien aber nicht auf der Jagd zu sein, sondern glich eher einem Späher, der das Gelände sondierte.
Nolan hatte keine Angst vor den Kreaturen der Nacht, dies war ein Gefühl, das ihm fremd geblieben war, selbst in seiner jetzigen Existenz. Er stand auf, warf eine Münze auf den Tisch und verließ die Gaststätte. Ein paar der anderen Gäste blickten kurz auf. Zu so später Stunde noch unterwegs sein zu wollen, war gefährlich. Doch der junge Mann scherte sich nicht darum. Er ging hinaus zum Stall, um sein Pferd zu holen. Er sattelte den dunkelbraunen Wallach und ritt in die Nacht, die nur durch den bleichen Vollmond erhellt wurde. Samtene Schwingen folgten ihm.
Er hatte es nicht eilig auf seinem Ritt und hing weiter den seltsamen Gedanken und Erinnerungen nach, die ihn seit geraumer Zeit bedrückten. Plötzlich aber scheute sein Pferd, wehrte sich heftig gegen die Zügel und wollte fliehen. Eine schattenhafte Gestalt versperrte dem Reisenden den Weg. Nolan wusste gleich, dass es sich nur um Dhrakor handeln konnte. Er versuchte, das Tier zu beruhigen, bis es mit zitternden Flanken stillstand.
„Suchst du den Kampf?“, forderte er den Vampir heraus.
Dhrakor lächelte nur müde. „Was suchst du , Nolan, mein Feind?“, rief er ihm entgegen.
„Wenn du es genau wissen willst, den Erstgeborenen!“
Jetzt lachte der Vampir laut auf. „Nun, wenn du es so sehr begehrst, dann werde ich dich zu Antaris führen. Erlaube mir, dich auf meinen Schwingen zu tragen.“
Nolan wusste auf dieses merkwürdige Angebot zunächst keine Antwort. Sollte es so einfach sein? „Ich habe keinen Grund dir zu trauen oder zu glauben, Dhrakor!“, rief er in die Nacht.
Der Vampir ging langsam auf das Pferd zu, das sich daraufhin wild aufbäumte und kaum zum Stehen zu bewegen war. „Das Tier
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