Lux Aeterna (German Edition)
auf Charlenes Schreibtisch durchzublättern, als der Grenzgängervampir ohne anzuklopfen das Büro betrat. Ihre Blicke trafen sich. In der Tiefe von Leanders nachtblauen Augen versank selbst ein Vampir.
Im ersten Augenblick erschrak Victor, doch dann besann er sich. Der Halbengel dagegen spürte sofort, dass dieser Vampir sich der schwarzen Magie verschrieben hatte. Sollte das hier eine Falle sein? War Charlene von diesem Wesen manipuliert worden, um ihn hierher zu locken? Victor ergriff als Erster das Wort.
„Schließ dich uns an“, schlug er geradeheraus vor.
Leander zog die Augenbrauchen hoch. „Wer ist uns?“
Ungefragt nahm Victor in einem der Besuchersessel vor dem Schreibtisch Platz. „Es ist mir inzwischen gelungen, einige Anhänger für meine Sache zu gewinnen. Zugegeben – es sind eher gelangweilte, junge Leute – aber was soll´s…“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Du kennst dieses Zeichen?“ Mit dieser Frage zeigte er dem Halbengel das Amulett um seinen Hals.
„Azrael, der Engel des Todes“, antwortete dieser nur trocken.
Victor nickte. „Er kann wie du Leben nehmen und geben.“
„Nicht ganz“, kam Leanders zynische Antwort. „Ich konnte nicht einmal das Leben eines Freundes retten.“
Victor überlegte kurz. Charly hatte ihm gegenüber einmal Jasons Vernichtung erwähnt. „Es hätte dein Blut sein müssen“, gab er nach kurzer Pause zur Antwort.
Leander wurde hellhörig.
Victor trumpfte jetzt auf. „Die kleine Lady aus dem Club hat mir die Story erzählt. Ist dir klar, dass du mit Azraels Hilfe deinen Freund wieder zum Leben erwecken könntest?“
„Unmöglich“, schnaubte Leander. „Der Vampirfürst ist tot.“
„Falsch! Sagen wir mal, er ruht nur. Ich bin sicher, du weißt, wo sich seine Asche befindet. Schließ dich uns an und ich zeige dir, wie man mit Hilfe des Todesengels diese Überreste wieder zum Leben erweckt“, erklärte Victor und beobachtete sein Gegenüber mit dem Blick einer Schlange, die ein Kaninchen hypnotisierte.
Ihn reizte der Gedanke, einen Engel – wenn auch nur einen halben – zur schwarzen Magie zu verführen. Dies entbehrte nicht einer gewissen Ironie. „Ein Leben für ein Leben“, lockte er. Dann erhob er sich mit einem Grinsen und wandte sich zur Tür. In Leander Knights Kopf tobten die Gedanken. Hatte er damals einen Fehler gemacht? Hätte er Jason Dawn doch retten können?
* * *
Victor Vartan war auf der Suche nach einem geeigneten Ort für die erste Zeremonie mit seiner kleinen Anhängerschaft, die er im Angel’s rekrutiert hatte. Drei junge Hybridenvampire hatten sich ihm – wohl eher aus Neugier und weniger aus Überzeugung – angeschlossen. Aber Victor suchte noch etwas anderes, das Buch Azraels, die Bibel des Todesengels, deren verhängnisvolle Magie er bereits als Mensch ausgeübt hatte. Dieses Buch musste er zurückhaben, um die erste Messe zu lesen und seinen Orden wieder zum Leben zu erwecken. Er hoffte, dass es sich noch da befand, wo er es damals versteckt hatte: in einem der Mausoleen auf dem Highgate Cementery. Heute war diese historische Begräbnisstätte eine Touristenattraktion. Als Grenzgängervampir fand sich Victor Vartan in tiefster Dunkelheit gut zurecht. Ein leichter Bodennebel verkündete die nahenden Morgenstunden in dieser Spätsommernacht. Die alten Monumente wiesen ihm den Weg durch den Dschungel aus steinernen Gräbern. Verwitterte Gesichter schienen ihn zu beobachten, wie er das in eine Lederhaut gehüllte, versiegelte Buch hinter einer losen Steinplatte aus dem leeren alten Grabgemäuer holte. Victor blickte sich um. Dies schien ein hervorragender Ort zu sein, um dem Engel des Todes zu huldigen. Er lächelte. Es würde ihn nicht wundern, wenn auch Leander Knight ein Besucher seiner ersten, schwarzen Messe sein würde.
Victor war sich sicher, dass sein kurzer Besuch bei dem Halbengel Eindruck gemacht hatte. Mit Akribie und roter Kreide begann der Grenzgängervampir die Wände und den Boden dieses Grabes mit den alten Symbolen Azraels zu schmücken. Dies hier würde seine neue Kapelle werden. Beim nächsten Neumond in den kommenden Tagen würde er hier mit seinen Anhängern den alten Orden erneuern. Kraftvoller als je zuvor, denn diesmal waren es keine verwirrten Menschen, die ihm folgten, sondern eine weitaus stärkere Rasse. Jetzt brauchte er nur noch ein passendes Gewand als Hohepriester. Und natürlich ein würdiges Opfer!
Leander Knight hatte die Hybridenvampirin
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