Lux Aeterna (German Edition)
Schottland weilte, war bereits unter den Neuzeitvampiren ein Gerücht in Umlauf geraten, dass ein alter Meister die Regentschaft wieder übernommen hatte. Einige der Hybriden fürchteten eine erneute Auseinandersetzung mit den Menschen, andere freuten sich über den erwachten Machthaber, dessen Identität ihnen allerdings noch unbekannt war.
Xavier Dantes hatte nicht die Absicht, einen erneuten Krieg mit den Menschen anzuzetteln und übte seine Macht lieber im Verborgenen für seine ganz persönlichen Belange aus. Als Narziss war er in erster Linie auf sein eigenes Vergnügen bedacht, das war schon in seinem menschlichen Dasein so gewesen. Und nichts bereitete ihm mehr Vergnügen als die Jagd und die Verführung, ganz gleich, ob sein Opfer nun männlich oder weiblich war. Mit seinen neu erworbenen Fähigkeiten konnte er sogar entscheiden, ob er sich Gefährten schuf oder ihnen einfach nur beim Sterben zusah. Bislang entschied Xavier sich für letzteres. In seiner Welt konnte es nur einen geben. Und wo auf der Welt war einer wie er besser aufgehoben als in Paris, der Stadt der Liebe? Die Menschen begannen, sich auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Auch Xavier hatte nicht vor, die Feiertage alleine zu verbringen.
Er schlenderte in einem schwarzen Wintermantel die prachtvoll erleuchtete Champs Elysées hinunter. Die Menschen gingen achtlos an ihm vorüber. Sie waren mit ihren Einkäufen beschäftigt. Der kalte Winterabend ließ den Atem der Vorübereilenden gefrieren. Keinem von ihnen fiel auf, dass der junge Mann keine Atemwolke ausstieß – sein Atem war bereits kalt. Genau wie sein Herz, das nach Wärme verlangte. In diesem Moment traf er auf eine Gruppe ausgelassener, junger Leute, die ihre Hände an Pappbechern mit heißem Punsch wärmten. Einer davon zog Xaviers suchende Blicke auf sich: Romain Cornier, gerade mal achtzehn Jahre jung, mit klassischen Gesichtszügen, dunklen Haaren und den neugierigen, unschuldigen Augen eines Kindes. Als wäre er einer von ihnen gesellte sich der hübsche Vampir zu den Jugendlichen, fragte nach der Uhrzeit, weil er ins Kino wolle. Bereitwillig gab man ihm Auskunft, plauderte und scherzte kurze Zeit zusammen und bald saßen alle in dem dunklen Zuschauerraum des amerikanischen Kinos, in dem ein alter Schwarzweißstreifen mit französischen Untertiteln lief. Xavier hatte sich neben Romain gesetzt und genoss seine Nähe und den zarten Duft von Sandelholz, der von ihm ausging. Hin und wieder flüsterte er ihm einige Informationen über den Film und die Darsteller ins Ohr. Als er dies erneut tat, konnte er nicht mehr widerstehen und biss den Jungen auf einmal sanft in Hals, nur ein kleiner Stich, doch das würde genügen. Romain zuckte entsetzt zurück, schaute Xavier mit großen Augen an und wollte etwas sagen. Doch der Vampir legte den Zeigefinger auf den Mund und gebot ihm zu schweigen.
„Wehr dich nicht, du gehörst bereits mir!“ , hörte der junge Mann Xaviers weiche Stimme in seinen Gedanken. Dann nahm der Vampir die Hand seines auserkorenen Opfers und führte den jungen Mann widerstandslos hinaus in die Nacht.
Endlich war es soweit. Der so genannte Dreizehnte Mond stand voll am Himmel. Einmal im Jahr gab es einen dreizehnten Vollmond – auch Blauer Mond genannt -, der den alten Überlieferungen nach eine zweite Chance für ein Vorhaben bieten sollte.
Leander Knight kniete vor der Urne und sah ungerührt zu, wie silberne Blutstropfen aus seinem Handgelenk in die mit Asche gefüllte Urne tropften. Er hatte die Worte des Rituals aus dem Buch Azraels gesprochen und zuvor eine der Phiolen mit dem Blut des Vampirgottes in die Asche entleert. Jede Empfindung in ihm war erloschen. Es war, als ob seine Seele sich auf einen langen Weg machen wollte. Er hörte noch, wie die Urne zersprang, dann wurde ihm schwarz vor Augen.
„Wach auf, mein Freund! Wach auf!“, hörte der Halbengel von Weitem eine bekannte Stimme an sein Ohr dringen. „Ich möchte nicht, dass noch eine Seele für mein Dasein geopfert wird.“ Leanders Blutverlust war hoch und es kostete ihn Mühe, die Augen die öffnen. Mit flatternden Augenlidern blickte er kurz in Jasons Gesicht, der sich über ihn gebeugt hatte und seinen ehemaligen Mentor sanft an den Schultern schüttelte.
Noch immer so jung, schön und gefährlich , dachte Leander, bevor er wieder ohnmächtig wurde.
Es dauerte drei Tage, bis Leander Knight wieder zu Kräften kam. Das hatte er der Fürsorge Jasons wie auch seiner
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