Lux Aeterna (German Edition)
Grenzgänger ein: „Deshalb wäre es gerade jetzt wichtig, wieder einen starken Fürsten zu haben!“ Alle blickten sich um und schauten in ein jungenhaftes Gesicht umrahmt von dunkelblonden Locken, das einem Gemälde aus dem fünfzehnten Jahrhundert entsprungen sein konnte. Ein Gesicht wie Alabaster, makellos schön und von grausamer Kälte. Diese Kälte wiederholte sich in den großen Augen, die je nach Lichteinfall die Farbe zu wechseln schienen. Mal waren sie mehr grün, mal blau wie Aquamarine. Dieses Geschöpf war es gewohnt zu bekommen, was beziehungsweise wen es wollte. Leander kannte den Jüngling nicht persönlich. Dieser war bei den letzten Versammlungen nicht dabei gewesen und hatte sich auch heute immer ruhig im Hintergrund gehalten. Jetzt stellte er sich höflich als Xavier Dantes vor, nannte jedoch nicht seinen Erschaffer.
„Richtig“, gab Leander zu. „Versucht, in Vergessenheit zu geraten, bis ich die Phiole habe und eventuell das Ritual vollziehen kann.“
Es blieb still.
„Soll das heißen, Jason Dawn könnte wieder auferstehen?“, fragte Isabella dann ungläubig. Leander nickte. „Wenn es uns gelingt, an das Blut von Camazotz zu kommen – es muss gar nicht viel sein – dann sollte es gelingen. Vorausgesetzt, wir finden jemanden, der Jasons Schicksal auf sich nimmt.“
Erneutes Stimmengewirr.
„Toll“, schnaubte Arthur. „Und an wen hattest du da gedacht?“
„Es muss auf alle Fälle freiwillig geschehen“, gab Leander zu.
Arthur grinste. „Wen willst du denn da überzeugen, freiwillig in den Tod zu gehen?“
Leander musste eingestehen, dass dies die einzige Schwachstelle in seinem Plan war. Seine dunkelblauen Augen, die an die Tiefe des Universums erinnerten, beobachteten die diskutierenden Vampire. „Alles zu seiner Zeit“, meinte er dann mit ruhiger Stimme. „Ich werde morgen nach Rom reisen. Vielleicht gelingt es mir dort, mehr zu erfahren.“
Fast einen Monat brauchte Leander Knight, um in den verborgenen Büchern des Vatikans Hinweise auf den Verbleib der Phiole zu finden. Er konnte sich nur nachts unentdeckt in den Bibliotheksräumen aufhalten.
In diesen alten Büchern entdeckte er Aberglauben, der ihn zum Lachen brachte, aber auch Dinge, die gefährlich nahe an die Realität herankamen, sogar eine vergilbte Pergamentrolle, die eine Liste mit den „Namen der Seelenlosen“ aufzeichnete, den Namen der alten Vampirmeister, war darunter. Dieses Pergament steckte Leander vorsichtshalber ein.
Endlich fand er in einem der Bücher eine Abbildung der rätselhaften Phiole mit dem „Teufelsblut“ aus Südamerika und wusste nun, wonach er suchen musste und vor allen Dingen wo: in den Katakomben unter dem Petersdom. Dieses Labyrinth war niemals schriftlich aufgezeichnet worden und nur wenigen Hütern der Kirche im vollen Umfang bekannt. Der Eingang hierzu befand sich hinter einer Bischofsstatue in einer Krypta, die für Besucher nicht geöffnet war. Doch für ihn war dies kein Hindernis.
Seine engelhafte Abstammung war es, die verhinderte, dass Leander sich verirrte. Einige alte Pechfackeln hingen in eisernen Wandhalterungen. Die stickige Luft in den weit verzweigten Gängen roch nach Moder, Vergangenheit und Geheimnis. Mit seiner Größe könnte er sich nur leicht gebeugt fortbewegen. Auf seinem Weg durch diese Katakomben fand er verschlossene Mauergräber mit Namen und Daten auf steinernen Tafeln und schlichte, namenlose Steinsarkophage in den Nischen, die mit Ziergittern verschlossen waren. Andere Gräber waren irgendwann wieder geöffnet worden, ihre Steintafeln lagen in Scherben. Ein paar Ratten mussten sich wohl an den Überresten gütlich getan haben, denn ab und zu lag ein menschlicher Knochen auf seinem Weg.
Das Vampirblut in Leanders Adern wies ihm instinktsicher den Weg in die mit einem alten Eisengitter verschlossene Kammer, in der sich scheinbar nur Gerümpel aus vergangenen Jahrhunderten stapelte und auch genauso viel Staub. Das Gitter war ebenso verrostet wie das alte Vorhängeschloss, das seiner überirdischen Kraft schnell nachgab. Suchend blickte er sich um. Eine kleine unscheinbare Holzkiste mit silbernen Ornamenten als Verschlüsse zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Leander strich mit seinen schmalen Händen den Staub vom Deckel und öffnete sie. Darin befand sich nicht eine, sondern gleich zwei Phiolen aus schwarzem Glas, mit Siegelwachs verschlossen. Eine davon nahm der Atlanter heraus, schüttelte sie vorsichtig. Ja, darin befand sich eine
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