Lux Aeterna (German Edition)
Körper wie eine Droge. Alle ihre Sinne schienen bis auf das Äußerste ausgereizt zu werden.
Jasons kalte Zurückweisung war ihr noch nicht einmal voll bewusst geworden! Dieser letzte, winzige, menschliche Puzzleteil in ihrem neuen, untoten „Leben“ glaubte immer noch daran, dass auch der Vampirfürst sich „menschlich“ verhalten und es zu einer Versöhnung kommen würde.
Einer Schlafwandlerin gleich glitt die schöne, neue Vampirin durch die Flure des Jagdschlosses. Die Fürstin hatte ihr freien Zugang zu allen Räumlichkeiten gewährt und instinktiv zog es sie, wie alle neugeborenen Engel der Nacht, in die eher dunklen, abgelegenen Teile des Hauses.
In einem der Kellerräume entdeckte sie den schlichten Sarg aus Nussbaumholz, mit dem Lady Alderley aus Paris hierher gekommen war. Im Schlafgemach der Fürstin selbst hatte ein schwerer, glänzender Mahagonisarg mit Schnitzereien und Bronzebeschlägen gestanden.
Neugierig öffnete die junge Frau das Behältnis, welches mit glänzendem weißem Satin ausgeschlagen war. „Darin haben wir also alle einmal geschlafen“, sagte sie laut zu sich selbst. Sie verspürte den seltsamen Drang, sich dort hineinzulegen und in dem schimmernd weißen Stoff zu versinken. Sie konnte nicht wissen, dass dies ein natürlicher Vorgang für viele frisch gewandelte Vampire war. Erst, wenn ihr schon toter Körper sich an diese neue Art von Existenz angepasst hatte, würde sie – wie alle Hybriden – unerkannt unter den Menschen leben können, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Die Dauer dieses Prozesses hing ganz von der Konstitution des Neulings ab und natürlich davon, wie dieser sein neues Dasein akzeptierte.
Celeste genoss die Kühle des glatten Satins auf ihrer Haut und strich sanft über den in leichten Wellen drapierten Stoff, auf dem sie lag. Den Deckel hatte sie offen gelassen. Plötzlich spürte sie eine scharfe Kante unter sich. Die Stoffnaht am Rand schien aufgetrennt worden zu sein. Sie erhob sich wieder und tastete neugierig weiter. Celeste zog so lange, bis sie ein kleines, viereckiges Brett in der Hand hielt. Darunter befand sich offensichtlich ein schmaler Hohlraum. Sie griff hinein und erfasste mit den Fingerspitzen eine Schatulle, die sie vorsichtig herauszog. Hatte die Fürstin hier etwa ihren Schmuck versteckt? Die junge Vampirin erwartete, kostbare Juwelen zu sehen, als sie den Kasten öffnete.
Im ersten Augenblick war sie enttäuscht. Zwei perlmuttschimmernde, dolchartige Gebilde lagen dort eingebettet in Samt, schienen von innen heraus zu leuchten und ständig ihre Farbe zu wechseln. Es musste etwas Wertvolles sein, sonst wäre es nicht so gut versteckt gewesen! Celeste dachte an Opale, während sie eines der Objekte herausnahm, um es von allen Seiten zu betrachten. Es war schwer und schien in ihrer Hand leicht zu pulsieren wie eine lebendige Lichtquelle.
Es war wunderschön. Sie hatte so etwas noch nie gesehen. Doch es musste sich wohl um etwas Wertvolles handeln, denn sonst hätte man es nicht so gut verborgen.
Celeste beschloss, diese seltsamen Dinge zu behalten, einesteils, weil sie so hübsch waren, und um später herauszufinden, worum es sich da handeln konnte. Jetzt war sie erst einmal unendlich müde!
* * *
VII. Hunger
Als Celeste in dem offenen Sarg erwachte, waren achtundvierzig Stunden vergangen. Das war ihre primäre Schlafphase gewesen, jetzt würde sie nur noch Schlafperioden nach eigenem Willen einlegen und dazu auch nicht unbedingt einen Sarg benötigen. Sie fühlte sich erfrischt und hungrig. Ihr Kopf war wieder klar und konnte die veränderten Eindrücke in unglaublicher Geschwindigkeit verarbeiten. Sie erhob sich und verließ den Keller. Oben bemerkte sie mit Erstaunen, dass es helllichter Tag war. Eine dünne Schneedecke hatte sich wie zarter Puderzucker über die grünen Hügel gelegt und reflektierte die kalte Sonne. Sie öffnete eines der großen Fenster im Wohnraum und atmete tief ein. Die Luft roch nach Schneekristallen.
Dann fiel ihr die Totenstille im Haus auf. Unten im Keller hatte sie wenigstens das Kratzen der Mäuse hören können. Jetzt hörte sie nur das eintönige Ticken der vielen Uhren im Haus. Wozu brauchte man die eigentlich?
Die beiden Diener der Fürstin schienen sich ihrem Rhythmus angepasst zu haben und ebenfalls tagsüber zu schlafen. Sie konnte nicht ahnen, dass Lady Alderley das Jagdschloss verlassen hatte und dieses Haus nicht nur menschen leer war. Einen neu erschaffenen Vampir ohne
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