Lux Aeterna (German Edition)
spüren“, flüsterte er in ihr Ohr.
Diese Worte von seiner weichen Stimme gesprochen ließen ihr einen heißen Schauer über den Rücken laufen. Seltsamerweise roch sein Atem nicht nach Alkohol, das fiel Rita sofort auf. Da war ein anderer Geruch an ihm, der sie irgendwie befremdete. Eilig packte sie ihre Tasche und wollte aufstehen. Jason sah sie mit einem wissenden Blick an. Das war nicht der Blick eines unerfahrenen Jungen. Jetzt legte er seine schmale, gepflegte Hand auf die ihre.
„Fürchten Sie sich nicht, das ist nicht die Energie, die ich will“, sagte er mit eindringlicher Stimme. Dann ließ er sie los, seine Stimmung änderte sich schlagartig. Wieder ganz der überdrehte Musiker nahm er eine CD aus seiner Lederjacke, die über dem Nachbarstuhl hing, signierte sie mit einem Kuss und überreichte sie Rita mit einem anzüglichen Lächeln. Diese nahm die CD, steckte sie in ihre Tasche und eilte aus der Lounge.
‚Der Typ hat zwei Gesichter’ , dachte sie, als sie erleichtert die frische Nachtluft einatmete. ‚Aber welches davon ist echt?’
* * *
Auf dem Friedhof Riensberg in Bremen, einem der schönsten Friedhöfe in Deutschland, lag die tote Gloria Harburg zu Füßen eines riesigen, trauernden Engels. Sie sah aus, als ob sie schliefe.
Die Augen geschlossen, die Arme über der Brust verschränkt, lag das junge Mädchen hingebettet wie Schneewittchen in ihrem Sarg. Die Haut schien blutleer und war bläulich verfärbt. Aus der Wunde an ihrem Hals war das Blut auf den Monumentsockel getropft und dort getrocknet. Frühmorgens hatte der Friedhofsgärtner die Leiche entdeckt.
Rita Hold erkannte die Kleine von der Aftershowparty sofort wieder. Sie trug noch die gleiche Kleidung. Es war das Mädchen, mit dem Jason am Tisch gesessen hatte. Die Bremer Polizei hatte den Bericht des Gerichtsmediziners gerade erhalten. Welsch warf einen Blick darauf.
„Offenbar der gleiche Täter“, murmelte er. „Und wieder ein unschuldiges Mädchen.“
„Im wahrsten Sinne des Wortes“, bemerkte Rita trocken und tippte mit dem Finger auf eine Zeile. „Auch sie war noch Jungfrau.“
„Woher weiß der Täter das? Dazu müsste er die Mädchen ja kennen. Und bisher gibt es keinerlei Bezugspunkte.“ Welsch war ratlos.
Rita erstarrte bei einem ihrer Gedanken. „Er wittert es“, sagte sie so leise zu sich selbst, dass ihr Chef es nicht mitbekam.
„Gloria war also gestern mit dieser Band zusammen. Wo sind unsere Gruselknaben jetzt?“, fragte der Kommissar seine Partnerin.
„Heute noch in Bremen. Dann geht es weiter nach Leipzig. Das konnte ich gestern in Erfahrung bringen.“
„Fahren Sie noch mal ins Hotel und sprechen Sie mit der Band. Und seien Sie vorsichtig!“
Dieser Aufforderung kam die junge Frau gerne nach. Bei dem Gedanken an den Leadsänger verspürte Rita wieder diese seltsame Faszination. Dabei erinnerte sie sich an die CD und fischte diese aus ihrer Handtasche. Der Titel der Scheibe sprang ihr sofort ins Auge. „Vampire Lovers“ prangte dort mit roten Lettern auf schwarzem Grund. Sollte der Kommissar doch Recht haben? Gab es diese Kreaturen wirklich?
Jason begrüßte Rita Hold an der Tür seines Hotelzimmers wie eine gute, alte Freundin und umarmte sie spontan. Er besaß erstaunlich viel Kraft in seinem schlanken Körper.
Mit einem leichten Zögern betrat sie sein Zimmer.
„Darf ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte er mit dem gleichen anzüglichen Lächeln wie gestern Abend.
„Danke, nein, Sie kennen doch diese junge Frau?“ Rita hielt ihm das Foto der Leiche unter die Nase.
Jason nahm es in die Hand und betrachtete es nachdenklich. „Sicher. Ich nehme nur soviel, wie ich brauche“, sagte er leise.
Rita horchte auf. „Wer oder was sind Sie eigentlich?“, fragte sie jetzt geradeheraus, obwohl ihr Herz bei dieser Frage bis zum Hals klopfte.
Der junge Mann drehte sich um. „Ich denke, das wissen Sie bereits. Ich kann Ihre Gedanken lesen.“ Und dabei sah er sie wieder so an wie gestern, mit seinen magnetischen, großen Augen.
Rita wurde schwindlig und sie musste sich in einen Sessel setzen.
„Vergessen Sie alles, was Sie über uns wissen. Die klassische Literatur vermittelt euch ein völlig falsches Bild. Es gibt längst eine neue Generation von uns, mit ganz neuen Eigenschaften.“
Mit flegelhafter Lässigkeit ließ sich Jason auf dem Sofa gegenüber nieder und beobachtete Rita wie eine Spinne die Fliege. „Sie könnten mich weder einsperren, noch würde es Ihnen
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