Lux Aeterna (German Edition)
riesige, mit bunten Aufklebern versehene Reisekoffer, die an die Zeit vergessener Hollywoodschauspieler erinnerten. Welsch sah gedankenverloren zum Schiff. ‚Die sind fast so groß wie Särge’ , dachte er nur.
Die Gangway wurde eingezogen, die Ankerketten rasselten beim Hochziehen. Winkende Taschentücher um sie herum. Welsch erstarrte. Vampire! Särge! Das war die Lösung.
Der Dampfer war bereits an den Lotsenbooten und tutete zum Abschied. Es gab kein Zurück mehr und mit diesem wahnwitzigen Verdacht würde man ihn höchstens in die Psychiatrie einliefern lassen. Welsch wandte sich ab und ging die Pier entlang.
Rita blickte ihm nach. Er sah deprimiert aus in seinem grauen Trenchcoat mit dem hochgeschlagenen Kragen. Sie konnte noch sehen, wie er einen Zettel aus der Tasche holte. Welsch starrte auf das Papier, das er in seiner Tasche gefunden hatte. Das war doch die Handschrift von Tamara Hansen alias Tanja Helmbrandt. Auf dem Zettel standen nur zwei Sätze: „Wie sterben Clowns? Mit einem Lächeln!“
(3) Der Engelsammler
Das Fernsehprogramm gab an diesem Abend nichts her. Gedankenversunken starrte Kommissar Harald Welsch auf den Bildschirm, ohne den Nachrichtensprecher wahrzunehmen. Rechts neben ihm auf dem Sofa lag Timothy, der kräftige rote Perserkater, den er vor über einem Jahr von seiner damaligen Assistentin Tamara Hansen in Pflege genommen hatte. Mittlerweile hatte er sich an den Plüschbomber gewöhnt. Welsch seufzte.
„Fassen wir mal zusammen“, sagte er zu dem schnurrenden Fellbündel neben ihm. „Dein ehemaliges Frauchen hat sich in einen Vampir verwandelt und brennt mit einem anderen Vampir nach Südamerika durch. Meine jetzige Assistentin hält mich für total übergeschnappt, und kein anderer Mensch wird mir jemals diese ganze Story glauben. Vor zwei Jahren war meine Welt noch in Ordnung.“
Timothy schnurrte ununterbrochen weiter und genoss die Streicheleinheiten.
„Manchmal denke ich, ich sollte mein Büro gegen eine Gummizelle tauschen.“
Das Handy klingelte. Der Kommissar war dankbar für diese Unterbrechung seiner trüben Gedanken. Rita Hold, seine Mitarbeiterin, war am anderen Ende der Leitung.
„Wir haben eine Leiche auf dem Friedhof“, bemerkte sie mit ruhiger Stimme. Genauso gut hätte sie behaupten können, es regne.
„Da gehört sie ja auch hin“, meinte Welsch bloß.
„Falsch, diese da liegt nicht im Grab, sondern darauf, oder besser gesagt, auf einer Statue.“
„Welcher Friedhof?“, fragte der Kommissar.
„Ohlsdorf.“
Welsch legte auf und zog sich Schuhe und Mantel an. Irgendwie hatte er das Gefühl, es wieder mit einem ungewöhnlichen Fall zu tun zu haben.
Es war schon dunkel, und die grellen Polizeischeinwerfer tauchten die Szene in ein geisterhaftes Licht. Einige Beamte von der Spurensicherung waren gerade bei der Arbeit. Der Friedhofswärter und der Totengräber standen vor der mannshohen Statue eines steinernen Engels mit ausgebreiteten Flügeln. Auf dessen vor der Brust ausgebreiteten Armen lag die Leiche eines jungen Mädchens, eingehüllt in ein langes schwarzes Gewand wie ein Geschenk an den Himmel. Sie blickte mit leeren Augen in die Nacht. Der Wind spielte mit ihren langen dunklen Haaren. Aus einer Wunde am Hals lief Blut über die Schulter, am ausgestreckten Arm entlang bis hinunter zu ihren Fingern, von denen die einzelnen Tropfen auf den gepflegten Rasen fielen.
„So was macht mich nervös“, sagte Welsch zu seiner Assistentin, die neben ihm stand und ihre Notizen ergänzte. „Das sieht mir ganz nach einem Psychopathen aus. Zu gut in Szene gesetzt.“
„Sie sagen es, Chef. Dr. David ist schon bei der Arbeit. Wir sind mit den Fotos und der Spurensicherung fast fertig. Jetzt können wir nur noch die Obduktion abwarten.“
„Was hat die Spurensicherung ergeben?“
„Nichts.“
„Nichts??“
„Gar nichts, nicht einmal Fußabdrücke.“
„Wie ist der Mörder denn da rauf gekommen? Das Ding steht schließlich auf einem Sockel.“
„Keine Abdrücke von einer Leiter, Chef!“
„Dann muss der Typ etwa zwei Meter fünfzig groß sein und so gut wie nichts wiegen.“ Welsch schüttelte verständnislos den Kopf.
„Oder fliegen können“, meinte Rita trocken.
Bei dem Wort „fliegen“ klingelte etwas bei Kommissar Welsch, doch er kam nicht drauf. „Hier können wir nichts mehr tun, Rita. Lassen Sie uns die ganze Sache morgen noch mal ganz nüchtern betrachten.“
Die hübsche Brünette nickte und wandte sich
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