Lux Aeterna (German Edition)
Nacht.“
Harald Welsch nickte verständnisvoll. „Natürlich, Rita. Ich hole nur eben meine Sachen.“
Am Morgen darauf hatte Rita Hold das Gefühl, aus einem Alptraum zu erwachen. Aber schlagartig holte der vergangene Tag sie wieder ein, und ihr kam eine Idee. Ihr Chef lag noch immer in eine Decke eingehüllt auf dem Sofa und schlief den Schlaf des Gerechten. Ab und zu ertönte ein leises Schnarchen.
Sie rüttelte ihn sanft. „Chef, aufstehen. Unten gibt’s gleich Frühstück, und ich habe vielleicht eine Lösung gefunden, wie wir unsere Freunde aufspüren und ausschalten könnten.“
Jetzt war Welsch hellwach. Nachdem er sich in seinem eigenen Zimmer frisch gemacht hatte, trafen sich beide am Frühstücksbuffet des Hotels. Mit vollgeladenem Tablett und ebenso voller Ungeduld drängte Welsch, Rita ihren Vorschlag zu unterbreiten.
„Vielleicht lachen Sie mich ja aus, Chef, aber ich dachte … na ja … wenn wir den Feind nicht besiegen können, sollten wir vielleicht einen Verbündeten suchen.“
„Mensch, Rita“, sagte Welsch mit vollen Backen kauend, „Van Helsing ist nicht mehr aktuell.“
„Nein, Sie verstehen mich falsch. Der Junge gestern war so voller Zorn über sein Schicksal. Wenn er mit uns zusammenarbeiten würde und uns die Geheimnisse dieser Kreaturen und ihre wunden Punkte preisgeben würde…“
Welsch nickte. „Schöne Idee. Aber warum sollte er das tun? Und wie sollten wir dann seine eigenen Morde unter den Tisch kehren?“
Daran hatte Rita nicht gedacht. Sie überlegte still. „Und wenn wir ihn sozusagen… umgewöhnen würden. An eine andere … Kost als Blut?“
Welsch verschluckte sich an dem Brötchen, in das er gerade biss und begann zu husten.
Rita klopfte ihm mitleidig auf den Rücken.
„Sie glauben doch nicht allen Ernstes“, begann er nach Luft schnappend, „dass ein Vampir seine Essgewohnheiten ändern würde?“
Bei der Vorstellung musste jetzt auch Rita lachen.
„Nein, aber vielleicht wäre ja eine andere Art Blut sozusagen kompatibel?“, schlug sie vor.
„Stimmt, könnte klappen. Trotzdem glaube ich nicht, dass ausgerechnet dieser Typ uns vertrauen würde. Und Sie wollen doch nicht etwa noch einmal in die Höhle des Löwen, oder?“ Der Kommissar blickte seine Assistentin an. Irgendetwas in ihrem Blick irritierte ihn.
* * *
Die Band war gerade dabei, ihre Instrumente in den Tourbus zu laden, als Rita Hold aus ihrem Wagen stieg. Danny, der Schlagzeuger, stieß Jason an. Dieser blickte sich um. Alle Vier waren wie gewohnt, ganz in Schwarz gekleidet. Jason trug außerdem eine Sonnenbrille, obwohl die Sonne nicht zu sehen war. Er nahm die Brille ab, als er zu der Ermittlerin ging.
„Und?“, fragte er spöttisch. „Wo sind die Handschellen?“
Rita wollte sich nicht provozieren lassen und trat dem Bandleader jetzt selbstbewusster entgegen. „Es gibt keine. Aber ich habe einen Vorschlag für Sie.“
Die Jungs drängten zur Abfahrt. Jason deutete ihnen an zu warten und hörte Rita zu. Dabei verzog er keine Miene.
„Ich denke darüber nach und melde mich“, versprach er kurz angebunden.
Rita hielt ihn vom Gehen ab, indem sie ihre Hand auf seinen Arm legte. „Tun Sie mir einen Gefallen. Hören Sie auf zu töten. Wir finden einen Weg.“
Jason schaute in ihr apartes Gesicht mit den grünbraunen Augen, das von kastanienbraunen Locken umrahmt wurde. Er spürte, dass sie keine Angst mehr vor ihm hatte.
„Wir?“, fragte er. „Sie glauben wirklich, dass das so einfach ist?“
Damit setzte er die Sonnenbrille wieder auf. „Ich glaube fast, Sie mögen mich“, stellte er zufrieden fest und ging zum Bus.
Rita wollte etwas auf diese Unverschämtheit erwidern, aber sie starrte ihm nur nach.
* * *
Eine Woche verging. Die beiden Kriminalbeamten waren längst wieder zurück in Hamburg. Es hatte keine Meldungen von neuen Friedhofsmorden gegeben, und Rita atmete innerlich auf. Sie befand sich gerade auf dem Weg ins Büro. An dem Kiosk, an dem sie jeden Morgen ihre Zeitung holte, fiel ihr ein Musikmagazin in die Hände. „ The Damned mit neuem Leadsänger“, hieß es da auf der Titelseite. Wo war Jason Dawn???
(4) Mittler zwischen den Welten
Rita Hold tappte in Pantoffeln und Nachthemd in die Küche. Es war kurz nach ein Uhr morgens, und sie konnte nicht schlafen. Zeit für einen Mitternachtssnack. Ohne das Licht anzumachen nahm sie ein Glas von der Anrichte und öffnete den Kühlschrank. Sekunden später zerbrach das Glas
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