Lux Aeterna (German Edition)
*
Jason Dawn fühlte sich nicht sonderlich wohl bei seiner Mission. Er musste den Spürhund spielen und herausfinden, welche Vampire Cuvier unterstützten und welche sich neutral verhielten. Und er musste sich beeilen. Noch hatte Cuvier keinen der alten Meister gefunden, der ihn unterstützen würde. Doch das konnte sich jederzeit ändern. So musste der junge Unsterbliche in seinen eigenen Reihen spionieren. Auch Laetitia konnte er jetzt nicht mehr vertrauen. Aber wozu war er in seinem kurzen, menschlichen Leben Soldat gewesen?
Inzwischen hatte der Kommissar eine persönliche Unterredung mit dem Innenminister, der wiederum ein Sonderdezernat ins Leben rief, um die aufständischen Vampire zu vernichten. Und jeder Name, den Jason nannte, kam einem Todesurteil für dessen Träger gleich.
Dieses Wissen belastete Jason, doch er versuchte, nicht daran zu denken. Hier ging es schließlich um mehr. Um die Zukunft der menschlichen Rasse!
Inzwischen hielt Alexandre Cuvier in Berlin eine flammende Rede des Widerstands. Er hielt sie vor einer Versammlung aus Menschen und Vampiren. Es waren bereits über hundert, teilweise vermummte und vorwiegend junge Zuhörer. Cuvier genoss ihre Begeisterungsfähigkeit wie ein Rockstar. Er war mit sich zufrieden, obwohl ihm seine Revolution noch nicht schnell genug voranschritt. Genau deshalb hatte er sich entschlossen, persönlich in den Reihen der Rebellen zu erscheinen, um sie noch einmal anzufeuern. Aus diesem Grunde reiste er durch Europa. Bald würde er auch in Hamburg sein. Im Augenblick erreichten ihn aber nicht nur positive Nachrichten. Mehrere seiner Geschöpfe waren bereits vernichtet worden. Wer unter diesen vermummten Gestalten war der Verräter?
Ein Augenpaar hinter einer schwarzen Skimütze gehörte Jason Dawn, und was er vorn auf dem provisorischen Podest sah, überraschte ihn wirklich. Neben der charismatischen Gestalt des Redners Alexandre Cuvier stand die elegante Laetitia, und offenbar schien sie sehr vertraut mit dem ehemaligen Zigeunerfürsten, denn nach seiner Rede umarmte und küsste er die Italienerin vor aller Augen. Jason wandte sich ab. Jetzt fühlte auch er sich verraten.
Während in Berlin der Notstand ausgerufen wurde, herrschte in Hamburg eine trügerische Ruhe. Das Ausgangsverbot schien zu greifen, doch das galt nicht für die wenigen Schatten, die sich zwischen den Häuserschluchten bewegten. Cuvier hatte es sich als Untermieter in einem Mausoleum auf dem Friedhof Ohlsdorf bequem gemacht. Christliche Symbole schreckten weder Grenzgänger noch Hybriden ab, nur die alten Meister unter ihnen wichen noch vor Kreuzen und Weihwasser zurück.
Die Ruhe auf den Straßen hier machte Alexandre Cuvier nervös. An diesem Abend wartete er vor dem Restaurant „Alsterpalais“, in dem Laetitia kellnerte. Er empfand diese Arbeit als unwürdig für eine so schöne Vampirin, vor allen Dingen für seine Gefährtin. Aber auch das sollte sich seinen Plänen nach bald ändern, dann würden Menschen den Vampiren dienen – als Nahrungsquelle!
Heute Abend wollte er gemeinsam mit Laetitia auf Jagd gehen, das hatte sie ihm versprochen.
Aber die junge Italienerin war gar nicht im Restaurant. Sie hatte ihrerseits einen Plan.
Das „Alsterpalais“ war ein früheres Krematorium und lag direkt am Friedhof Ohlsdorf, so dass Laetitia diesen Plan in ihrer Pause umsetzen konnte. Vor dem steinernen Grabmal, das Cuvier sich als Residenz auserkoren hatte, traf sie unerwartet auf Jason, der ebenfalls auf der Suche nach dem Grenzgänger war.
„Was machst du hier? Verschwinde!“, zischte sie ärgerlich.
„Und was machst du hier? Wartest du auf deinen neuen Liebhaber?“, fragte Jason zurück.
„Das geht dich gar nichts an! Und komm heute Nacht nicht mehr hierher!“, warnte Laetitia ihn.
Jason stutzte. Da war etwas in ihrer Stimme, was eher nach Sorge als nach Ärger klang.
„Keine Sorge. Ich werde euer Tete-à-Tete nicht stören!“, spottete er und zog sich zurück in die Schatten. Schließlich gab es genug für ihn zu tun. Es schien, als hätte er das Versteck des Grenzgängers gefunden.
* * *
Rita Hold hatte bereits auf seine Nachricht gewartet. Als Jason wieder einmal unvermutet in ihrer Wohnung auftauchte, erschrak sie trotzdem. Obwohl sie ihn liebte, hasste sie dennoch seine Art, aus dem Nichts zu erscheinen.
Nachdem sie von Jason den Standort des Versteckes erfahren hatte, rief sie ihren Chef an, um ein Sondereinsatzkommando zum Friedhof zu schicken,
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