Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
es
irgendwie, dass ihre Stimme fest blieb. »Sobald wir mit Seiner Heiligkeit gesprochen haben, wird es an seinen Platz zurückkehren.« Als Cibans
Blick sie traf, schoss ihr ein Stich mitten durchs Herz. Die Augen des
Kardinals schimmerten wie polierter Quarz. Sie versuchte unter seinem
stechenden Blick nicht die Fassung zu verlieren.
»Sie verstehen nicht, Schwester. Dieses Buch wird dieses Archiv unter gar keinen Umständen verlassen. Nicht einmal für Seine Heiligkeit.«
Erneut streckte er die Hand aus, diesmal mit einer Körpersprache, die
keinerlei Widerspruch duldete.
Wie unter einem Zwang überließ Ben ihm das Buch.
Ciban legte es vorsichtig auf das Pult, schlug es auf und blätterte es Seite für Seite um. »Wie ich sehe, hat Pius sich bei dieser Kopie auf das
Allernotwendigste beschränkt. Er hatte schon immer ein Händchen für
das Essenzielle, was wohl an der juristischen Familientradition liegt.«
Aufgrund des Tonfalls war es offensichtlich, dass der Kardinal für den
verstorbenen Papst mit den ausdruckslosen Augen und dem Gesicht
eines Adlers keine großen Sympathien hegte. Catherine und Ben
wussten, Pius hatte während des Holocaust als Oberhaupt der
katholischen Kirche geschwiegen. Das war der große Makel, der sein
Pontifikat befleckte.
»Da Sie das Buch nun haben, können wir ja gehen«, erklärte Catherine,
gab Ben ein Zeichen und drehte sich um.
»Ich bedaure«, sagte der Präfekt.
Nicht allein seine Worte, sondern irgendetwas Unbeschreibliches in
seiner Stimme veranlasste Catherine, sich wieder umzudrehen.
»Ich nehme an«, fuhr Ciban fort, »Sie beide haben weite Teile dieser
Lektüre studiert, sonst wären Sie jetzt nicht so erregt und auf dem Weg
zu Seiner Heiligkeit.« Er schaute von dem Buch auf und wartete auf eine
Antwort.
Noch bevor Catherine etwas erwidern konnte, sagte Ben: »Was verbirgt
sich hinter ›Lukas‹? Wir wissen, dass zwischen ›Lukas‹, den Ermordeten
und diesem verfluchten Buch eine Verbindung besteht.«
»Also doch«, stellte Ciban kalt fest. »Sie haben Darius’ Bibel entdeckt, Ihre Schlussfolgerungen daraus gezogen und geschwiegen.«
Ben schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil. Ich hatte keinen blassen
Schimmer, bis ich Schwester Silvias Bibel gefunden habe. Erst da habe
ich begriffen, dass es ein Band zwischen den Ermordeten gibt. Was ist
›Lukas‹, Eminenz?«
Der Präfekt blieb unnahbar. »Sonst noch Fragen?« Seine stechenden
Augen wandten sich Catherine zu.
Sie nahm die absolute Ruhe in Ciban wahr. Eine Ruhe, in der große
Gefahr lag. »Was haben Sie vor?«, fragte sie schlicht. »Was geschieht
nun mit uns?«
»Das hängt von Ihren Antworten ab. Sie hatten kein Recht, in dieses
Archiv einzudringen und Pius’ Kopie zu lesen. – Wie haben Sie
überhaupt davon erfahren?«
»Manchmal muss man eben etwas riskieren, um die Wahrheit
herauszufinden, Eminenz«, gab Catherine scharf zurück. »Vor allem,
wenn es um den Schutz des Heiligen Vaters geht. Wir sind nicht aus
persönlichem Anlass hier. Wir haben einen Auftrag zu erfüllen.«
Ciban hob eine Braue. Skepsis gepaart mit einem Hauch von Hoffnung
flackerte in seinem schmalen, kantigen Gesicht auf, erreichte aber nicht die unergründlichen Augen. »Also gut. Überzeugen Sie mich, Schwester.
Überzeugen Sie mich davon, dass ich Ihnen und Monsignore Hawlett
weiterhin vertrauen sollte.«
Catherine wollte noch etwas sagen, doch dann griff sie einfach in die
Tasche ihres Ordensgewandes, holte den Brief heraus und überreichte
ihn Ciban. »Wenn das hier nicht hilft, Eminenz, dann weiß ich es auch
nicht.«
Der Präfekt trat betont förmlich zurück ans Pult, entfaltete den Brief und überflog die Zeilen. Bis auf das Lesepult und dessen unmittelbare
Umgebung lag der Saal in einem unheimlichen Schatten. Während er las,
nahmen Catherine und Ben eine erstaunliche Wandlung in ihm wahr. Die
harten Gesichtszüge entspannten sich. Die Kälte in den Augen wich
allmählich zurück. Nachdem Ciban geendet hatte, herrschte einen
Moment lang eine grabartige Stille. Schließlich faltete er das Schreiben zusammen, nahm das Buch und reichte beides Catherine.
»Dann … dann können wir jetzt zu Seiner Heiligkeit gehen?«, fragte sie
völlig verdutzt. Sie konnte es kaum fassen, dass Benellis Brief den Spuk so schnell beendet hatte. Insgeheim hatte sie Ben und sich schon in
einem der geheimen Verliese der Engelsburg verrotten sehen.
Ciban blickte sie an und nickte, und auf
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