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Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
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Verlauf
    der Anhörung.
    Das Tribunal, das die junge Nonne bisher befragt hatte, wurde zu ihrer
    Verblüffung aufgelöst und durch ein neues ersetzt. Somit saß Kardinal
    Ciban, der bisher an keiner der Sitzungen teilgenommen hatte, plötzlich
    selbst vor ihr. Catherine erwartete, er würde ihr nun auf seine kühle,
    distanzierte Art erklären, dass sie seine Meinung nicht im Namen der
    Kirche verkünden könne und dass sie ganz offensichtlich nicht den
    vollen Rahmen seiner Position überblicke, doch nichts dergleichen
    geschah. Stattdessen stellte Ciban ihr die neue Jury vor, legte ihr
    aktuelles Buch Der entzauberte Gott auf den Tisch und schlug eine mit einem Pagemarker gekennzeichnete Stelle im Buch auf. Dabei blickte er
    sie mit einer solch unmenschlichen Ruhe an, dass sie sich unwillkürlich
    fragte, ob er unter Drogen stand.
    »Sie unterscheiden in Ihrem Buch zwischen innerseelischen Erfahrungen
    und objektiven Tatsachen, Schwester Catherine. Bitte erläutern Sie der
    Kommission den Unterschied.«
    Die »Kommission«, wie Ciban die Jury nannte, bestand nur noch aus
    vier Vertretern der Glaubenskongregation und saß erhöht auf einem
    Podest hinter dem Richtertisch, während Catherine alleine an ihrem
    Tisch saß. Sie versuchte in den Gesichtern der ausgewechselten Männer
    zu lesen. Der einzige Fixpunkt, der ihr geblieben war, war Pater Michael Sorti vom Lux Domini, ein kleiner, mausgesichtiger Mann, der sie jedes
    Mal ansah, als erwarte er eine geradezu revolutionäre Offenbarung –
    oder auch Entweihung – von ihr.
    »Wir Menschen begehen gerne den Fehler, eine innerseelische
    Wahrnehmung auf die Außenwelt zu projizieren«, erklärte sie. »Nehmen
    wir als Beispiel die Marienerscheinungen. Ein religiöses Erlebnis erfährt seine Ausformung in der materiellen Welt als eine Art
    Geistererscheinung, die mahnt und die Zukunft prophezeit.«
    Pater Sorti räusperte sich und rückte sich in seinem Stuhl zurecht. »Sie sprechen von einem Fehler, Schwester Catherine. Aber ist das
    Christentum nicht eine Offenbarungsreligion, in der Gott sich offenbart, um dem Menschen seinen Willen mitzuteilen? Die Marienerscheinungen
    von Fatima haben Tausende bezeugt. Eine Lichterscheinung, die
    majestätisch durch den Raum schwebte. Ganz zu schweigen vom
    Sonnenwunder. Wie können Sie hier von einer Erfahrung sprechen, die
    lediglich auf Stoffwechselvorgänge im Gehirn zurückzuführen ist? Das
    ist doch wohl kaum mit dem biblischen Gottesbild vereinbar.«
    Catherine wusste nur zu gut, dass der kanonische Prozess, der das im
    Jahr 1917 dokumentierte Ereignis für glaubwürdig erklärt hatte, 1930
    abgeschlossen worden war. Fatima war – ebenso wie Lourdes – zu einem
    katholischen Wallfahrtsort geworden, zu dem Millionen von Menschen
    jedes Jahr pilgerten. Damit stärkten Fatima und Lourdes die katholische
    Position.
    »Warum nicht, Pater? Gott ist kein Stoff, aus dem heillose
    Versprechungen gemacht werden sollten, scheinbar verwirklichte
    Träume in der realen Menschenwelt. Der Apostel Paulus sagte einmal:
    ›Gottes Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.‹
    Das bedeutet für mich nichts anderes, als dass Gott sich im tiefsten
    Inneren des Menschen offenbart. Und das ist sehr wohl mit der Wahrheit Gottes und der Wahrheit des Menschen vereinbar.«
    Die junge Nonne konnte förmlich sehen, wie Sorti innerlich mitging.
    Indem sie erklärte, dass Gott sich jedem Menschen tief in seinem Inneren selbst zu offenbaren vermochte, sprach sie praktisch wie eine
    Protestantin, auch wenn sie Katholikin war. Doch es war nicht Sorti, der als Nächstes das Wort ergriff.
    »Dann sehen Sie in den Wundern von Fatima oder Lourdes also kein
    Wirken Gottes in der realen Welt?« Die Frage kam von Ciban, beiläufig,
    während er in ein paar Papieren blätterte, fast als täte sie nichts zur
    Sache.
    Catherine erkannte allerdings sehr wohl die unheilvolle Frage dahinter:
    »Ist Ihr Glaubensbekenntnis eine Lüge, Schwester?«
    »Ich glaube an die Macht des Heiligen Geistes. Ich glaube, dass wir
    glauben müssen, dass wir geradezu prädestiniert sind, spirituell zu sein.
    So steht es geschrieben in der Heiligen Schrift, und so steht es
    geschrieben in unserem genetischen Code. Wir sind Abbilder Gottes.
    Wir sind Gottes Kinder. Als Mann und als Frau.«
    Ciban nahm das Buch, erhob sich und trat vom Podium auf Catherines
    Tisch zu. Nur die junge Frau konnte in diesem Moment in seine
    stahlgrauen Augen sehen. Die unnatürliche

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