Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
jede vatikanische Subtilität, was auf
Catherine äußerst erfrischend wirkte.
Eine Weile saß sie nachdenklich da, dann bedankte sie sich für die
Einladung und nahm sie schließlich an. Sollte sich die morgige
Gesellschaft als Schlachtfeld erweisen, würde sie ihr Möglichstes tun,
um darüberzustehen. Aber sie würde auch kämpfen, auf ihre Art, und das
musste Benelli verstehen, wenn er es nicht sogar von ihr erwartete.
Ihr Handy klingelte einmal. Eine SMS von Ben. Er würde noch heute
Nacht nach Rom zurückkehren.
12.
Rom, Vatikan, Palast des heiligen Offiziums
Ben hatte das Gefühl, Kardinal Cibans Büro schon tausendmal betreten
zu haben, dabei waren es in Wahrheit höchstens drei Dutzend Mal
gewesen. Auch diesmal blieb der erstaunliche Einrichtungsmix aus
Vergangenheit, Gegenwart und Hightech nicht ohne Wirkung auf ihn. Es
war, als hätte ein überaus talentierter Innenarchitekt das Beste aus
Antike, Mittelalter, Renaissance und der Moderne zusammengestellt und
so kunstvoll in diesem Raum arrangiert, als wäre es die natürlichste
Sache der Welt.
Ben saß in einem bequemen Renaissance-Stuhl mit hohen Armlehnen
und dunklem, ledernem Sitzpolster. Links von ihm stand ein alter,
offener Bücherschrank, der aussah, als stammte er, einschließlich seiner Bücher, aus der Biblioteca Vaticana. An der rechten Wand hing ein
Flachbildschirm, darunter befand sich auf einer eleganten Eisen- und
Glaskonstruktion das restliche Equipment einer kompletten
Medienstation. Von einem anderen Regal blickten in Deckenhöhe
Engelsfiguren mit Schwertern herab.
Ciban war gerade von einem Treffen mit Seiner Heiligkeit zurückkehrt,
als Ben das Vorzimmer seines Büros betreten hatte. Seit einigen Tagen
ging das Gerücht um, der Papst habe einen Schwächeanfall erlitten. Der
junge Ermittler fragte sich, wie viel Wahrheit wohl in diesem Gerücht
steckte. Ciban hatte sich mit keiner Silbe dazu geäußert. Jetzt stand er am Fenster, starrte völlig bewegungslos in den wolkenlosen Himmel und
schien Bens Bericht über die Ermordung von Pater Darius, die Abtei
Rottach und die Münchner Mietwagenfirma nicht die geringste
Aufmerksamkeit zu schenken. Erst als Ben seine Bestandsaufnahme mit
einem Räuspern beendete, drehte Ciban sich zu ihm um.
In den letzten Jahren hatte Ben in der sparsamen Mimik des Kardinals zu
lesen gelernt, doch in diesem Augenblick hätte er nicht einmal
annähernd sagen können, in welcher Gemütsverfassung sein
Vorgesetzter sich befand. Es war einer jener Momente, in denen er sich
Catherines Gabe wünschte, in denen er sich wünschte, wenigstens
einmal zu sehen, was Catherine sah, wenn sie in der Aura eines
Menschen las. Ob sie während der Verhöre einen Blick auf die Seele des
Präfekten riskiert hatte?
Ciban nahm Ben gegenüber an dem großen Renaissance-Schreibtisch
Platz und schlug die schlanken Beine übereinander. Der Kardinal war
Anfang fünfzig, doch der junge Vatikanagent war sich sicher, dass Ciban
es in Sachen Fitness jederzeit mit ihm aufnehmen konnte. Außerdem war
der Präfekt für sein phänomenales Gedächtnis bekannt. Nicht wenige
seiner kurialen Kollegen hatten bereits auf schmerzliche Weise damit
Bekanntschaft gemacht, so auch Seine Eminenz Sergio Kardinal Monti,
der ewig gestrige Kardinalstaatssekretär. Eine weitere Folge dieses guten Gedächtnisses war der stets aufgeräumte Schreibtisch Seiner Eminenz.
Die versiegelte, polierte Oberfläche sah aus, als hätte noch nie ein
Mensch auch nur eine Stunde daran gearbeitet.
»Unser deutscher Agent hat sich vorhin gemeldet«, erklärte Ciban. Seine
wohlklingende Stimme hätte die Zuhörerzahlen von Radio Vatikan
wahrscheinlich um einige Prozentpunkte in die Höhe schnellen lassen.
»Dieser junge Mann von der Mietwagenfirma, Eric Zander, ist tot. Allem
Anschein nach ist er an einer Überdosis gestorben.«
Ciban schaltete den Flachbildschirm ein, und Ben erblickte das
unerfreuliche Foto einer Wasserleiche. Ralf Porter vom BND hatte also
Recht behalten. Zander hatte etwas gesehen, das den Unbekannten hätte
identifizieren können, und das hatte er nun mit seinem Leben bezahlt.
»Wo wurde der Tote gefunden, Eminenz?«
»Zanders Leichnam wurde letzte Nacht bei Baierbrunn aus der Isar
gezogen. Er war schon tot, bevor man seinen Körper in den Fluss
geworfen hat. Das war vor etwa dreieinhalb Tagen.« Ciban machte den
Schirm wieder aus.
»Haben die Überwachungsvideos der Mietwagenfirma schon
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