Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Interesse daran, Papst zu sein. Das hätte seine Bewegungsfreiheit viel zu sehr
eingeschränkt, darunter auch seine nächtlichen Streifzüge durch Rom.
Macht und Reichtum hingegen, das war etwas ganz anderes. Seit er für
den Meister arbeitete, hatten sich seine persönlichen Konten im Ausland
mächtig gefüllt.
»Hat Kardinal Ciban schon etwas aus Rottach gehört?«, fragte deRossi
seelenruhig, während er über das abendlich beleuchtete Rom blickte und
einen Schluck Wein trank.
»Diesmal hat er Hawlett auf Reisen geschickt. Wenn er hofft, dem
jungen Kerl damit aus seiner Melancholie zu helfen, ist das sicher die
falsche Kur.«
DeRossi grinste in sein Weinglas hinein. Er hatte während des Studiums
in Rom einige Semester mit Ben Hawlett geteilt. Hochwürden Hawlett
kämpfte seit seiner Kindheit gegen einen unsichtbaren inneren Dämon,
gegen eine innere Düsternis, deren schwarze Wogen früher oder später
tödlich über ihn hereinbrechen würden. DeRossi strich sich unbewusst
über die schlecht verheilte Narbe über seinem linken Auge. Er hatte in
seiner Jugend eine ähnliche Erfahrung gemacht, über viele Jahre hinweg,
doch sie hatte ihn gestärkt, hatte ihn zu dem Mann gemacht, der er heute war. Im Gegensatz zu ihm schien Hawlett langsam, aber sicher daran
zugrunde zu gehen. Dennoch hielt Ciban an dem Schwächling fest.
»Vielleicht würde ihm ein Treffen mit Schwester Catherine guttun«,
spöttelte deRossi.
Der Meister schenkte ihm ein verschwörerisches Lächeln. »Die beiden
haben sich seit Langem nicht mehr gesehen. Es wäre einen Versuch
wert. Da fällt mir ein, Massini ist so weit, dass wir ihn für unsere Pläne einspannen können. Unser hübscher Aurelio hat eine weitere seiner
äußerst engagierten Nächte mit ihm verbracht. Wir haben jedes Wort
aufgezeichnet.«
‚Und sicher jede Stellung’, dachte deRossi angeregt. Aurelio war einer
von den niederen Mitarbeitern im römischen Agentennetz des Meisters.
Der Stricher hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wer sein wahrer Herr
und Meister war und welche Ziele dieser verfolgte. Ebenso wenig kannte
er Hochwürden deRossi. Sollte das doch einmal der Fall sein, so würde
Aurelio das Schicksal einiger römischer Nachtschwärmer teilen.
»Wann werden Sie Massini eine Kopie der Aufzeichnung zukommen
lassen, Eminenz?«
»Gleich morgen Nachmittag, unmittelbar vor dem nächsten Treffen mit
Seiner Heiligkeit, Ciban und Hawlett. So hat er keine Zeit, sich von dem Schock zu erholen, wenn er dem Kardinal im päpstlichen Esszimmer
gegenübersitzt.«
»Ciban?« DeRossi runzelte die Stirn, was der Narbe über seinem linken
Auge ein bizarres, gefährliches Aussehen verlieh. Sollte die Erpressung
nicht in erster Linie dazu dienen, mehr über Leos geheime Pläne zu
erfahren?
»Unsere Munition ist noch viel schärfer, als ich gedacht habe, Nicola. Im Gefühlsrausch hat Massini unserem seligen Aurelio gegenüber seine
Schwäche für unseren amtierenden Großinquisitor eingestanden.«
DeRossi stieß ein leises Pfeifen aus. Er rauchte nur noch selten, doch nun nahm er sich eine Zigarette aus dem auf dem Tisch liegenden Etui,
steckte sie an und zog daran. Das Nikotin beruhigte augenblicklich seine überschäumenden Nerven. »Es geschehen doch immer wieder Zeichen
und Wunder.« Weder er noch der Meister waren sich sicher gewesen, ob
Massini Leo gegenüber tatsächlich erpressbar war. Es hätte gut sein
können, dass die Schwuchtel dem Papst ihre Verfehlung gebeichtet hätte.
Leo hatte ein großes Herz. Ganz im Gegensatz zu Ciban.
»So schön, so gut im Falle Massini«, sagte der Meister und schaute
seinem Gegenüber genüsslich zu. Er war selbst einmal ein starker
Raucher gewesen, bevor ihm sein Arzt die Zigaretten strikt untersagt
hatte, wollte er seinem Leben kein vorzeitiges Ende bereiten. »Benelli
macht uns Probleme. Er plant irgendetwas. Ich habe allerdings noch
nicht herausgefunden, was.«
»Was könnte Seine Eminenz schon gegen uns im Schilde führen? Er hat
nichts gegen Sie in der Hand. Sie aber sehr wohl gegen ihn. Er hat nicht nur die Vatikanbank saniert, sondern auch sich selbst.«
Der Meister lachte. »Und das hat er äußerst geschickt getan.« Er griff in seine Soutane, zog einen Briefumschlag aus der Innentasche und
überreichte ihn seinem Protegé.
DeRossi öffnete den Umschlag und nahm die eindrucksvolle Karte
heraus. »Eine Einladung zu einem Empfang in der Villa von Benelli?«
Der Meister seufzte. »Das
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