Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
markierten Bibelstellen, die ihnen
zur Mediation dienten und Kraft gaben. Warum sollte das bei Darius
anders gewesen sein? »Nicht, dass ich wüsste. Was könnte das sein?«
»Das frage ich Sie, Monsignore.« Ciban zuckte gelassen mit den
Schultern, trat beiseite und reichte Ben die Akte, die dieser nach seinem Bericht auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. »Vielleicht denken Sie noch einmal in Ruhe darüber nach.«
Als Ben durch das lange Vorzimmer Richtung Flur ging, spürte er den
Blick des Kardinals im Rücken. Er fühlte sich alles andere als wohl
dabei. Noch nie zuvor hatte Ciban ihn in einer Ermittlungssache
zurückgehalten. Noch nie zuvor hatte Ben sich dermaßen unbehaglich in
der Nähe seines Vorgesetzten gefühlt.
Himmelherrgott, in welcher Sache hatte Darius dringesteckt, dass er jetzt tot war und Ciban nun auch noch jede weitere Ermittlung blockierte?
Es musste in irgendeiner Form mit dem Lux Domini zusammenhängen,
da war Ben sich ziemlich sicher. Das Lux besaß aufgrund seiner
Forschungen inzwischen eine große Macht und erinnerte in seiner
Struktur fast schon an einen Geheimorden wie das Opus Dei. Obendrein
war ein Großteil der Mitglieder medial hochbegabt …
Plötzlich klingelte sein Handy auf dem Weg zu den Archiven. Catherine
war am anderen Ende der Leitung.
Wenigstens etwas Gutes an diesem Tag.
13.
Das Appartement des Meisters lag im Nordwesten Roms und bot einen
atemberaubenden Blick über die Stadt. Im Sonnenuntergang genoss
Monsignore Nicola deRossi die grandiose Aussicht auf die Kuppel des
Petersdoms. Die im Sonnenlicht funkelnden Häuserdächer schienen in
die Unendlichkeit zu reichen. So mussten sich die römischen Kaiser
gefühlt haben, als sie vor zweitausend Jahren auf das Zentrum ihres
Imperiums herabgeschaut hatten. In gewisser Weise war der Meister für
deRossi solch ein Imperator, wenn auch nach klerikalem Maßstab
ungekrönt. Ganz gewiss hätte der Meister – anstelle dieses sentimentalen Schwächlings Leo – auf den Stuhl Petri gehört. Wie viel mehr könnte die
Kirche unter seiner Führung erreichen.
Die Sonne verschwand, und die automatische Beleuchtung der Veranda
schaltete sich ein. DeRossi wusste, wenn die Nacht hereinbrach, füllte
sich Rom mit einem ganz besonderen Menschenschlag: den
Nachtmenschen. Er selbst kannte die nächtliche Magie Roms besser als
die des Tages. So manch einem jener Leute hatte er diese Magie als
Himmel auf Erden versprochen und ihnen dann die Hölle auf Erden
serviert. Auch der letzte Nachtschwärmer, der ihm begegnet war, hatte
die Magie nicht überlebt. So verzückend waren die Stille und
Abgeschiedenheit der Katakomben. So süß war das Blut der Schafe.
»Ein herrlicher Abend«, sagte der Meister, der neben deRossi auf der
Veranda saß und dessen Blick folgte. »Ich werde dieses Panoramas
niemals müde, mein lieber Nicola.«
»Das kann ich gut verstehen, Eminenz«, stimmte deRossi mit einem
einfühlsamen Lächeln zu.
Noch vor wenigen Minuten hatten sie bei einem deliziösen Mahl und
einem exzellenten Wein über die letzte Mission gesprochen, über
Rottach und Pater Darius. DeRossi unterdrückte ein wohliges Schaudern.
Es war so verlockend, sich des Paters ungläubigen Blick und den stillen
Sturz in die Tiefe noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Rottach war von
ebensolchem Erfolg gekrönt wie die beiden Missionen in der Schweiz
und Frankreich davor. DeRossi konnte mit sich und der Welt zufrieden
sein, denn er hatte saubere Arbeit geleistet. Mit Darius hatte ein weiteres Mitglied dieser einfältigen päpstlichen Lux-Kongregation das Diesseits
verlassen, und es führte kein Weg, nicht die geringste Spur, nach Rom,
geschweige denn zu ihm oder dem Meister.
Der Hausdiener kam mit einer neuen Flasche Wein und schenkte ihnen
nach. Diesmal war es ein Châteauneuf du Pape 2002 aus Belleville.
Nicht annähernd so gut wie der Wein, den sie zum Essen genossen
hatten, dennoch ein leckerer Tropfen, um den Abend zu beschließen.
»Ich beneide Sie um diesen Ausblick«, fügte deRossi aufrichtig hinzu.
»Sie haben keinen Grund, mich zu beneiden, Nicola«, sagte der Meister
mit einem fast schon väterlichen Lächeln. Trotz seines fortgeschrittenen Alters saß er in seiner rotgesäumten schwarzen Robe da wie ein wahrer
Kirchenfürst. »Irgendwann wird das hier alles Ihnen gehören. Wer weiß,
vielleicht werden Sie eines Tages Papst.«
DeRossi nickte zufrieden. In Wahrheit hatte er keinerlei
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