Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Relation zu bringen. Darius war ermordet
worden, dann war von einer geheimen Kongregation innerhalb des Lux
die Rede, und jetzt war auch noch der Papst im Spiel! Sie schloss die
Augen, atmete tief durch und versuchte in all dem Irrwitz einen
vernünftigen Gedanken zu finden. Doch ihr ging nur noch eines durch
den Sinn: Darius war tot, und sein Mörder lief noch immer frei herum.
»Hat man denn schon eine Spur?«, fragte sie mit einer Stimme, die ihr
selbst fremd war.
»Es gibt nur eine vage Spur. Aber angesichts der Hintergründe ist das
auch nicht verwunderlich. Wenn wir den Mörder nicht bald dingfest
machen, ist es womöglich zu spät. Noch ein, zwei weitere Morde und die
Kirche verliert ihr Gleichgewicht.«
Gleichgewicht? Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Warum sollte
die Kirche, eine Institution, die seit fast zweitausend Jahren existierte, plötzlich ihr Gleichgewicht verlieren? Dann fiel Catherine ein, dass
Benelli auch gesagt hatte »angesichts der Hintergründe«. Was um
Himmels willen konnten diese Hintergründe sein?
»Ich weiß, das ist alles sehr viel auf einmal«, sagte der Kardinal ruhig.
»Es muss für Sie völlig absurd klingen, und dabei habe ich noch nicht
einmal die Oberfläche dessen angekratzt, was Sie für Ihre Mission
wissen müssen. Mir ist klar, das Lux ist Geschichte für Sie. Sie haben
sich vor sechs Jahren aus dem aktiven Dienst zurückgezogen, doch wir
brauchen Ihre Hilfe, Catherine.«
»Entschuldigen Sie«, brachte die junge Frau mühsam hervor, »aber ich
muss mir etwas Bewegung verschaffen.«
Sie stand auf und lief vor dem Altar auf und ab wie ein Raubtier in
einem viel zu engen Käfig. Benelli ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, wartete geduldig ab, schien die personifizierte Ruhe selbst. Schließlich blieb sie vor ihm stehen, sah ihn prüfend an und sagte: »Verzeihen Sie,
Eminenz, aber warum sollte ich Ihnen Vertrauen schenken? Weil Sie mir
gerade dieses Foto gezeigt und behauptet haben, mit Pater Darius
befreundet gewesen zu sein?«
Benelli seufzte. »Leider ist die Zeit zu knapp für ausführliche
Erklärungen, und selbst wenn wir ausreichend Zeit hätten, würden Sie
mir vermutlich kaum glauben, Catherine. Aus diesem Grund müssen wir
einen anderen Weg gehen. Schon bald werden Sie über sämtliche
Informationen verfügen, die Sie brauchen.« Er erhob sich, trat zu ihr und gab ihr erneut die Fotografie. »Behalten Sie das Foto. Ich brauche es
nicht mehr. Was Ihr Vertrauen in mich angeht … Setzen Sie Ihre Gabe
ein, wann immer Sie wollen, ich habe keine Furcht davor.« Catherine
starrte den Kardinal an. Er schien es mit seinem Angebot durch und
durch ernst zu meinen.
»Doch jetzt, meine Liebe, lassen Sie uns beten, für Darius, Sylvester,
Isabella und den Papst, bevor wir wieder in den Trubel der oberen Etage
zurückkehren müssen.«
Die junge Frau richtete den Blick von Benelli auf die Fotografie in ihrer Hand. Sie hätte nicht erklären können, wieso sie das Bild überhaupt
angenommen hatte oder weshalb sie im Anschluss wie selbstverständlich
neben den Kardinal trat und gemeinsam mit ihm für Darius, Sylvester,
Isabella und Leo betete, als hätte das Gespräch davor niemals
stattgefunden. Vielleicht lag es an der unglaublichen Ruhe und
Selbstsicherheit, die der alte Mann ausstrahlte und die sich mit jeder
weiteren Minute, in der sie beteten, auf Catherine übertrug. Nie zuvor
hatte sie eine solche Ruhe in sich gespürt. Fast schien es, als wären
Benellis und ihre Seele während des Gebets miteinander verbunden.
Nachdem sie das gemeinsame Gebet beendet hatten, fühlte sie sich
traurig und erleichtert zugleich. Traurig darüber, dass die innere Ruhe sie ein Stück weit verließ, erleichtert, weil sie nun wieder den Eindruck
hatte, mehr sie selbst zu sein.
Benelli führte sie mit einem gewinnenden Lächeln zur Tür.
Seltsamerweise hegte sie keinerlei Argwohn mehr gegen ihn, und das,
obwohl sie ihre Gabe gar nicht eingesetzt hatte. Irgendwie schien alles zu stimmen, alles in Harmonie, selbst nach diesem schmerzvollen
Gespräch, mit dem der Kardinal sie so rigoros überrumpelt hatte.
Als der Gastgeber die Tür öffnete, stand eine Gestalt in Priestersoutane mit dem Rücken zu ihnen in dem weitläufigen Gang und bewunderte
anscheinend eines der Wandgemälde. Offensichtlich hatte Benellis
Angestellter verhindert, dass der Geistliche die Kapelle betrat, solange die beiden darin waren. Als der Fremde sich umdrehte,
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