Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Finsternis. Und wissen Sie was, genau das ist den
wenigsten Anwesenden hier bewusst.«
Ben meinte trocken: »Dann bleibt jetzt ja nur noch zu klären, wer von
uns dem Dunkeln und wer von uns dem Licht zuzurechnen ist. Wie steht
es mit Ihnen, Eminenz? Sind Sie das Gute in der Verkleidung des Bösen
oder das Böse in der Verkleidung des Guten?«
»Sagen wir, ich stehe auf Ihrer Seite, Ben. Aber ich stehe auch auf der
Seiner Heiligkeit und auf jener von Schwester Catherine. Ebenso wie auf
der Seite Seiner Eminenz Kardinal Ciban.«
»Dann muss es verdammt schwer für Sie sein, Ihresgleichen zu finden.«
Die Spitze kam von Ciban.
Benelli blickte von Catherine zu dem Kardinal, als wolle er eine
unsichtbare Verbindung zwischen ihnen herstellen. »Letztendlich ist es
nicht der Verstand, sondern das Herz, das seinesgleichen eint, nicht
wahr?«
Für einen Moment sah die kleine Runde den alten weißhaarigen Kardinal
an, als sei dieser geistig völlig weggetreten. Dann sagte Ciban mit einer Sanftheit in der Stimme, die ihm niemand zugetraut hätte: »Das ist ja
alles schön und gut, Eminenz. Doch was ist bitte der eigentliche Grund
für diese Provokation, dieses – Vorführen?«
Catherine spürte, dass der Präfekt damit nicht nur auf die Taktlosigkeit anspielte, ihn und sie heute Abend hier eingeladen zu haben.
»Ich werde diese Nacht nicht überleben, Marc«, sagte Benelli und zuckte
mit den Achseln. »Sehen Sie diesen Ring hier?« Als hätte die
Provokation ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, streifte er den
Kardinalsring von der rechten Hand ab und legte ihn demonstrativ auf
das Buffet. »Die Ohnmacht wird heute Abend ihr Ende haben, auch
wenn das mein eigenes irdisches Ende bedeutet.« Er richtete sich an
Catherine: »Erinnern Sie sich noch an den teuflischen Brand in Ihrem
Kloster?«
Die Nonne nickte. Natürlich erinnerte sie sich daran. Wie hätte sie das je vergessen können. Der Brand vor knapp drei Jahren war nachts in einer
der Zellen des Stifts ausgebrochen und hatte zwei Schwestern das Leben
gekostet und drei schwer verletzt. »Dieser Brand galt Ihnen, mein Kind.
Doch glücklicherweise war Ihre Zelle leer.«
»Ich …« Catherine stockte, als ihr die Bedeutung des Gesagten aufging.
Jemand hasste sie so sehr für Ihren Aufruhr in der Kirche, dass er bereit war, sie zu töten, und es dafür sogar in Kauf nahm, dass andere starben.
Benelli sagte: »Sie haben einen anonymen Anruf erhalten und sind
fortgelockt worden. Deshalb haben Sie überlebt.« Catherine stand da wie
paralysiert. Nun wandte sich der weißhaarige Kardinal Ciban zu: »Ich
weiß nicht, wer Pater Darius’ Mörder ist, aber ich bin mir sicher, er ist hier, in diesem Raum, und ich möchte, dass er Blut und Wasser schwitzt
und durch alle Farben des Martyriums geht. Sie haben den Wink ganz
richtig interpretiert, Marc.«
Ciban starrte ihn an. »Dann stammt der anonyme Hinweis, unterzeichnet
mit Bruder Vasariah, also von Ihnen?«
Benelli nickte. »Vasariah, der helfende Engel der Gerechtigkeit.«
Der Präfekt wirkte seltsam bewegt. »Sie wissen, dass Ihre Äußerung für
mich nur einen Schluss zulässt, Eminenz. Um Himmels willen, nennen
Sie mir die Namen.«
»Sie wissen, dass das nicht geht, dass der Bund so nicht funktioniert.«
Cibans Augen waren plötzlich von einem seltsamen Glanz erfüllt.
Catherine vermochte nicht zu sagen, ob aus Unmut, Verzweiflung oder
irgendeiner Art von Begreifen. Die Situation entwickelte sich immer
mehr zu einem undurchschaubaren Rätsel.
»Verzeihen Sie«, meldete sie sich halblaut zu Wort, »aber wovon reden
Sie hier eigentlich?« Dann, an Benelli gerichtet: »Und warum erzählen
Sie das alles ausgerechnet uns?«
»Weil der Mörder weiß, dass Sie alle Kinder des Lux sind. Jeder von
ihnen sympathisiert mit dem Orden, auf die eine oder andere Weise.
Einige von ihnen sind sogar noch heute Mitglieder.«
»Ist das alles?«, fragte Ben.
»O nein. Sie alle sympathisieren natürlich auch mit dem Erzfeind des
Mörders, mit Seiner Heiligkeit.«
Cibans und Catherines Blicke verharrten sekundenlang auf Benelli, als
hätten sie sich beide verhört. Catherine bezweifelte, dass Ciban mit Leo sympathisierte. Die Kardinäle Monti und Gasperetti waren da schon viel
eher seine Kragenweite.
»Sie sagten, Sie würden die Nacht nicht überleben?«, wiederholte
Catherine. »Wie kommen Sie darauf?«
»Weil es nur diesen einen Weg gibt, den Gegner herauszufordern und
ihn zu einem
Weitere Kostenlose Bücher