Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
erinnerte
Catherine sich, ihn im Empfangssaal bei der Gruppe um Kardinal Monti
gesehen zu haben.
»Verzeihen Sie, Eminenz, ich wollte nicht stören«, sagte der Pater. »Ich wollte mir nur die von allen so gepriesene Kapelle des Hauses einmal
ansehen.«
Benelli nickte freundlich. »Monsignore, darf ich Ihnen Schwester
Catherine Bell vorstellen.« Trotz seiner Freundlichkeit nahm Catherine
ganz deutlich eine gewisse Dissonanz in dem Kardinal wahr, ausgelöst
durch die Gegenwart des Paters. »Catherine, das ist Monsignore deRossi,
einer der vielversprechendsten Mitarbeiter der Kongregation für die
Bischöfe.«
Also einer der Mitarbeiter Kardinal Gasperettis, schoss es ihr durch den Kopf.
DeRossi reichte ihr die Hand und zeigte beim Lächeln seine perfekten
Zähne. Was Catherine jedoch weit mehr faszinierte, war die deutlich
sichtbare Narbe über dem einen Auge. Sie fragte sich, wieso die Narbe
so schlecht verheilt war. Nichtsdestotrotz hatte der Monsignore ein
äußerst ansprechendes Gesicht. Die schwarzen, kurz geschnittenen Haare
verliehen ihm etwas Verwegenes. Nur mit seinen Augen stimmte etwas
nicht. Für Catherines Empfinden waren sie auffallend gefühllos, beinahe
wie die eines Hais.
»Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Schwester Catherine«, sagte deRossi. »Ich
hoffe, Sie können den Abend hier dennoch genießen.« Seine Stimme
klang aufrichtig, wenngleich seine Augen etwas ganz anderes sagten.
»Danke, Pater.« Catherine gelang ein Lächeln, das wenigstens so
aufrichtig rüberkam wie das deRossis. »Sie werden es nicht bereuen, die
Kapelle besichtigt zu haben. Es ist ein wirklich beeindruckender Ort.«
Der Monsignore blickte von ihr zu Benelli und wieder zurück. Er nickte.
»Davon bin ich überzeugt.«
»Wenn Sie uns nun bitte entschuldigen wollen«, erklärte Benelli mit
einem gelassenen Lächeln.
Behutsam, aber dennoch zügig dirigierte er Catherine an deRossi vorbei.
Die junge Frau spürte jenes Kribbeln in ihrem Innern, das sie sonst nur
vor wichtigen Prüfungen und Auftritten überkam. Für einen Moment war
es, als passierte sie eine unsichtbare Schranke, eine Tür, durch die es
kein Zurück mehr gab. Sie spürte, wie deRossi ihr und Benelli
nachblickte, bis sie um die Ecke bogen.
Als sie den Aufzug betraten, kam Catherine nicht umhin zu sagen: »Es
war Ihnen alles andere als recht, dass Monsignore deRossi dort unten
aufgetaucht ist, oder?«
»Tatsächlich läuft alles nach Plan«, erklärte der weißhaarige Mann
beinahe amüsiert. Dann wurde er schlagartig ernst. »Es werden gleich
ein paar merkwürdige Dinge geschehen, Catherine. Diese Dinge werden
Ihnen noch absurder erscheinen als unser Gespräch. Doch ganz gleich
was auch geschieht, haben Sie Vertrauen. Haben Sie vor allem Vertrauen
in Ihre Gabe.«
16.
Die nächsten beiden Stunden verliefen für Catherine nahezu friedvoll.
Die Spitze der konservativen katholischen Bühne hatte der
revolutionären Nonne nach und nach ihre Aufwartung gemacht,
Catherine hatte wohl pariert, und damit hatte sich der konservative Mob
vornehmlich zurückgehalten, von einigen kleineren Scharmützeln einmal
abgesehen.
Die junge Autorin lernte auf dem Empfang sogar einige ihrer
E-Mail-Partner persönlich kennen. Martin Kreuz, ein Jesuitenpater,
Rektor des römischen Priesterkollegs Germanicum et Hungaricum und
Generalsekretär des Jesuitenordens, mit dem sie seit zweieinhalb Jahren
einen kritischen, dafür jedoch umso fruchtbareren Austausch pflegte,
erwies sich als ein sehr humorvoller Mann. Er hatte nicht nur Schwester
Thea und Catherine in sein großes Herz geschlossen, sondern auch noch
das große Buffet, von dem er kaum wich und wankte. Nein, er würde erst
dann aufhören zu essen, wenn die Kirche genau das tat, was Jesus wollte.
Schließlich näherte sie sich wieder der kleinen Gruppe, die aus Kardinal Bear, Schwester Thea, Ben und inzwischen auch einem gewissen Pater
Luigi Thomas bestand. Letzterer arbeitete wie Ben für die Archive und
hatte ganz offensichtlich ein Glas zu viel getrunken.
»Wie ich gehört habe, wurden die Ermittlungen eingestellt.«
»Davon weiß ich nichts«, sagte Ben, dem es sichtlich unangenehm war,
dass Catherine Zeugin von Pater Thomas’ Entgleisung wurde. »Aber ich
denke, das ist wohl auch eher eine Angelegenheit der Polizei.«
Der Pater lachte, als würde er sich köstlich amüsieren.
Ben blieb ruhig. »Sie haben zu viel getrunken, Luigi. Kommen Sie, ich
werde Ihnen ein Taxi
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