Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
besorgen, das Sie nach Hause fährt.«
Pater Thomas befreite sich mit einer ungelenken Bewegung aus Bens
wohlmeinendem Griff und sagte im Flüsterton: »Wir wissen beide, dass
Sie in Rottach ermittelt haben. Was haben Sie herausgefunden, dass die
Ermittlungen so rasch eingestellt wurden?« Dann wandte er sich an
Catherine. »Vielleicht schreiben Sie ja darüber in Ihrem nächsten Buch!«
Eine feste Stimme hinter dem Pater sagte mahnend: »Schwester
Catherine wird sich gewiss Gedanken über Ihre Anregungen machen,
Luigi. Doch jetzt wartet ein Taxi vor der Tür und wird Sie nach Hause
bringen. Sie haben anstrengende Wochen hinter sich. Ruhen Sie sich
aus.«
Der Angesprochene erstarrte, als hätte ihn ein Degen hinterrücks
durchbohrt.
Aber auch Catherine hätte beinahe die Fassung verloren. Sie kannte die
kühle, sonore Stimme nur zu gut aus den durchlittenen Sitzungen in der
Glaubenskongregation. Marc Abott Kardinal Ciban grüßte die
Anwesenden mit einer Verbeugung und ließ seinen Blick sondierend
über die Runde schweifen. Seine Augen verweilten eine Sekunde länger
auf ihr. Ein junger Priester namens Rinaldo geleitete Pater Thomas
umgehend aus dem Empfangssaal.
Die barocke Musik schien mit einem Male verstummt. Überhaupt wirkte
der ganze Empfang für einen kurzen Augenblick wie eingefroren, als
läge ein eisiger Hauch in der Luft, als bahnte sich eine Katastrophe an.
Kardinal Ciban und Schwester Catherine! Zwei Erzgegner innerhalb der
katholischen Kirche auf einem privaten Empfang, nur knapp eineinhalb
Meter voneinander entfernt!
Betont förmlich, gerade so, dass es nur die kleine Runde um die kritische Autorin hören konnte, sagte der Kardinal: »Dieser Raum ist voll von
Schlangen, die nur darauf warten, dass wir uns gegenseitig zerfleischen, doch diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun. Sind wir uns darin
einig, Schwester?«
Catherine nickte zustimmend. »Einverstanden, Eminenz.«
Kardinal Benelli tauchte wie aus dem Nichts auf und begrüßte Ciban mit
den Worten, es freue ihn, dass der Präfekt doch noch den Weg hierher
gefunden habe. Es folgte eine lockere Konversation, die vor allem dazu
diente, die gesamte Atmosphäre und damit die anwesenden Gäste wieder
zu entspannen. Eine gewisse Anspannung blieb dennoch, als bilde sich
unendlich verzögert die trügerische Ruhe vor dem Sturm, als könne das
naturgemäße Donnerwetter gar nicht ausbleiben, wenn zwei solch schier
gegensätzliche Wetterfronten wie Ciban und Bell so unvermittelt
aufeinanderprallten.
Doch der Sturm blieb aus, zumindest vorerst, auch wenn einige der
Gäste das Spektakel eines tosenden Gewitters nur zu gerne erlebt hätten.
Aus welchem Grund sonst hätte Benelli die beiden Kontrahenten
gemeinsam in seine Villa einladen sollen? Damit sie sich versöhnten?
Lächerlich! Also wartete man ab, der Abend war schließlich noch jung.
Irgendjemand würde schon noch das Feuer zu eröffnen wissen. Wenn
der erste Schuss dann einmal gefallen war, mochte der Abend nicht nur
für die anwesenden Journalisten zu einem historischen Ereignis und
damit zu einem gefundenen Fressen werden.
Als könnte Benelli kein Wässerchen trüben, sagte er zu Catherine und
Ciban: »Wie ich sehe, sind einige meiner Gäste ein wenig enttäuscht,
was ihr Zusammentreffen angeht. Der Löwe liegt neben dem Lamm und
macht keine Anstalten, es zu fressen.«
Catherine, die immer noch das Gefühl hatte, ihr Herz stünde still, presste zwischen den Zähnen hervor: »Wenn Sie denken, ich sei das Lamm,
liegen Sie entschieden falsch, Eminenz. Was für ein Spiel treiben Sie? Ist es inzwischen nicht ein bisschen spät, um uns die Regeln zu erklären?«
Ein kurzer Seitenblick auf Ciban ließ sie ahnen, dass Benelli es allein
den anwesenden Gästen verdankte, dass der Präfekt der
Glaubenskongregation ihn noch nicht in der Luft zerrissen hatte. Ihr
Gastgeber würde eine verdammt gute Erklärung abliefern müssen.
Benelli machte eine beschwichtigende Geste. »Oh, es ist ein altes Spiel.
Das älteste überhaupt. Es ist das Spiel ›Gut gegen Böse‹. Nur dass das
Gute dabei nicht immer das Lamm ist und das Böse nicht immer der
Löwe.«
»Bleibt also die Schlange«, sagte Ciban und blickte sein Gegenüber
dabei an, als ob dieser selbst die Verkörperung derselben wäre.
Doch Benelli lächelte nur. »Ein Poet würde sagen, dieser Empfang sei
ein Treffen zwischen den Vertretern der Mächte des Lichts und den
Mächten der
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