Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
schaltete Gasperetti sich beschwichtigend
ein. Der alte Kardinal konnte sich nicht erinnern, jemals unter Papst
Innozenz, mit dem er bis zu dessen Tod eng befreundet gewesen war,
eine ähnliche Szene erlebt zu haben. Aber Innozenz hatte auch nicht
unter unerklärlichen Schwächeanfällen gelitten.
»Wir haben eigentlich auch ein ganz anderes Problem«, erklärte Bear,
um das Treffen wieder auf den ursprünglichen Kurs zurückzubringen.
»Noch hat die Presse keinen Wind vom Zustand Seiner Heiligkeit
bekommen, aber wie wir alle wissen, ist das lediglich eine Frage der
Zeit.«
Monti nickte und rückte seinen schmächtigen Greisenkörper in dem
hohen Sessel zurecht. »Danke, James. Wie wir ferner wissen, untersteht
das Pressebüro nach der Apostolischen Verfassung dem
Staatssekretariat. Daher trage letztendlich ich die Verantwortung für das, was wir der Welt dort draußen verkünden werden, wenn sich die
Erkrankung Seiner Heiligkeit nicht mehr verheimlichen lässt – oder gar
verschlimmert.«
Als Ciban schwieg, fügte Gasperetti vorsichtig hinzu: »Wir müssen
wissen, wie sich der Gesundheitszustand Seiner Heiligkeit auf die Kirche auswirken wird. Wird Papst Leo genesen? Wird er längere Zeit krank
bleiben? Was sagen wir der Presse im Falle eines Falles?«
Ciban wandte sich nach einem kurzen Blickwechsel mit Gasperetti an
Monti, dem als Kardinalstaatssekretär die vatikanische Presse unterstand.
»Seine Heiligkeit ist sowohl körperlich als auch geistig in der Lage, das Pontifikat weiterhin auszuüben. Ansonsten nehme ich an, dass Sie über
ausreichend Einfluss verfügen, um etwaige Falschmeldungen seitens des
vatikanischen Pressebüros zu verhindern.«
Damit erhob er sich, trank den letzten Schluck Kaffee, entschuldigte sich und verließ den Raum.
Gasperetti blickte dem hochgewachsenen, schlanken Kardinal
nachdenklich nach, bis die schwere Tür geschlossen war, und seufzte
innerlich. Der Zwischenfall, den einer seiner Agenten in der
Benelli-Villa verursacht hatte, hatte das Verhältnis zu Ciban nicht eben verbessert. Innozenz hatte ihn schon früh vor Marc Cibans Eigenbrötelei
und Sturheit gewarnt. Aber soweit Gasperetti wusste, herrschte auch
zwischen Leo und dem Präfekten nicht gerade Freundschaft. Ganz zu
schweigen von Cibans Verhältnis zu Monti. In jedem Fall wäre es nicht
besonders klug, sich diesen Mann zum Feind zu machen.
32.
Nach allem, was Ben gerade von Catherine gehört hatte, fragte er sich,
ob er womöglich noch immer unter dem Einfluss der Droge stand und
schlief. Im Wachzustand klangen ihre Worte völlig absurd, unter dem
Einfluss des betäubenden Mittels hingegen mochten sie durchaus Sinn
ergeben.
»Woher willst du wissen, dass Seine Heiligkeit tatsächlich so schwer
erkrankt ist?«, fragte er und bemühte sich, nicht allzu skeptisch zu
wirken. Immerhin hatte er von dem Gerücht gehört, das besagte, der
Papst habe in den letzten Tagen einen Schwächeanfall erlitten.
»Nicht krank, geschwächt«, korrigierte Catherine ihn. »Benelli hat es mir im Traum gesagt.«
»Hattest du früher schon mal – solche Träume?«
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Natürlich nicht. Jedenfalls nicht dass ich wüsste.«
Ben blickte sie an, sagte jedoch nichts. Schließlich erwiderte Catherine:
»Jetzt schau mich nicht an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im
Schrank.«
»Du musst schon verzeihen, aber deine Geschichte klingt ziemlich –
verwirrend.«
Catherine stieß einen tiefen Seufzer aus. »Benelli hat mir erklärt, ich
hätte fast dreimal so viel mediale Energie wie der begabteste Mediale,
den das Lux je im Institut zu seinen Schülern gezählt hat.«
»Wer soll dieser oder diese Begabteste neben dir gewesen sein?«
»Das hat er nicht gesagt, aber das tut auch nichts zur Sache. Der
Kardinal meinte außerdem, er habe durch seinen Tod seine mediale
Energie mit der meinen vereint. Durch seine Zusatzenergie sei ich nun
stark genug, um Seine Heiligkeit vor dem totalen Zusammenbruch zu
schützen.«
»Wie soll das funktionieren?«
»Ganz einfach: Ich übertrage Benellis und meine überschüssige Energie
auf Seine Heiligkeit.«
Ben saß im Bett, kreidebleich, und schwieg. Er hätte beim besten Willen
nicht gewusst, was er hätte sagen sollen, außer: Catherine, du bist
verrückt!
»Bitte, hör mir zu. Du bist der Einzige, dem ich diese Geschichte
überhaupt erzählen kann, ohne gleich in die Irrenanstalt eingeliefert zu werden. Du kennst mich
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