Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
der
Inquisition.
Catherine hatte sich schon lange nicht mehr zugleich so erleichtert und
so elend gefühlt.
33.
Kardinal Monti saß an seinem prächtigen Schreibtisch im
Staatssekretariat mit Blick auf den Damasushof und bereitete
verschiedene Dokumente für Seine Heiligkeit vor. Er hatte kein Auge
mehr für die architektonische Schönheit, die ihn umgab. Längst war sie
ihm zu einer beliebigen Gewohnheit geworden. Sein Schreibtisch hätte
ebenso gut in einer Turnhalle stehen können. Monti bewies die Haltung
eines Mannes, der es gewohnt war, ein Aufsteiger zu sein, und der
Befehle erteilte, als wären es wohlmeinende Bitten. Seine Talente hatten sich auf dem Weg nach ganz oben als äußerst wirksam erwiesen. Die
meisten davon hatten mit Demut und christlicher Nächstenliebe nur
wenig zu tun, beides Tugenden, die im Vatikan völlig fehl am Platz
waren, wenn man etwas erreichen wollte.
Die Mehrzahl der Männer in der Kurie vermutete in dem neuen
Kardinalstaatssekretär eine beherrschende Figur hinter dem Heiligen
Stuhl wie noch zu Zeiten von Papst Innozenz, als Monti der Präfekt der
Glaubenskongregation gewesen war. Doch zu dessen Verdruss entsprach
das nicht annähernd der Wahrheit.
Der Kardinal ließ die vor ihm auf dem großen Tisch liegende
Dokumentenmappe zufallen. Natürlich hatte der neue Papst sicher auch
diesmal eine Menge von seinen Vorschlägen zu beanstanden. So war es
jedes Mal. Bei Gott, Leo stürzte die Kirche mit seinen unreifen, jeder
Realität entbehrenden Vorstellungen noch in ein Chaos. Man durfte ein
so komplexes System, wie es die katholische Kirche nun einmal war,
nicht einfach über Nacht von innen nach außen kehren. Am besten blieb
das System, wie es seit jeher war. Eine kollegiale Kirche wäre ohnehin
dem Untergang geweiht. Eine imperiale Kirche hingegen, wie die von
Innozenz geführte, hatte auch in der Zukunft eine Chance. Die Menschen
bedurften der Führung weit mehr als der Brüderlichkeit.
»Mein lieber Sergio, Sie beanspruchen noch immer, der Hüter des Feuers
zu sein«, hatte Leo bei einem ihrer morgendlichen Treffen gemeint.
»Nach wie vor versuchen Sie, ebenso wie einige Ihrer ehrgeizigen
Kollegen, die Kontrolle zu behalten. Ich habe nicht vor, Innozenz’
Lebenswerk zu zerstören, geschweige denn unsere Heilige Mutter
Kirche. Aber ich werde auf das hören, was mir meine innere Stimme
sagt. Die Worte sind klar! Und Sie wissen am besten, dass die Ratgeber
meines Vorgängers nun auch meine Ratgeber sind. Was also macht Sie
derart nervös?«
Da Leo geradeheraus gesprochen hatte, hatte auch Monti kein Blatt vor
den Mund genommen. »Verzeihen Sie, Heiligkeit, aber es ist die
politische Färbung Ihrer Interpretation, die mir Anlass zur Sorge gibt. Sie sind der Kapitän eines gigantischen Schiffes mit nahezu einer Milliarde
Passagieren an Bord. Es gibt aus gutem Grund auf einem Schiff keine
Demokratie.«
Leos Reaktion darauf war ein müdes, aber herzliches Lachen gewesen,
wobei er Monti freundschaftlich auf die Schulter geklopft hatte. Leo
hatte nicht die geringste Ahnung, wie sehr diese Geste Monti zuwider
war. »Keine Sorge, überall dort, wo ich zu viel Fahrt aufnehme, werden
Sie es verstehen, mich zu bremsen.«
Monti hatte innerlich mit den Zähnen geknirscht und gemeint: »Ich
werde tun, was ich kann, Heiligkeit.«
Nun trat der Kardinal an eines der großen Fenster und blickte auf den
Damasushof hinaus. Wie sehr er sich doch nach der Zeit unter Innozenz
zurücksehnte. Wie einschränkend er sein neues Amt als Staatssekretär
unter Leo empfand. Als Großinquisitor unter Innozenz hatte er weit mehr
Einfluss auf die Politik der Kirche gehabt als jetzt. So unterschiedlich Innozenz und er auch in ihrer äußeren Erscheinung gewesen waren, so
innig verbunden waren sie in ihrem Trachten, die angestrebten Ziele des
zweiten Vatikanischen Konzils , nämlich eine Liberalisierung der Kirche, im Geiste der imperialen Päpste zu ignorieren. Doch die Zeiten hatten
sich mit Leos Pontifikat geändert.
Monti holte tief Luft.
Inzwischen hatte längst ein anderer Kirchenfürst Montis früheres Amt
inne. Natürlich war die Beförderung zum Staatssekretär ein gewaltiger
Karrieresprung gewesen, dennoch war er rundherum unzufrieden, da er
nun von einigen wichtigen Quellen regelrecht abgeschnitten war.
Zunächst hatte Monti sich geehrt gefühlt, Kardinalstaatssekretär zu
werden, doch dann hatte er nach und nach begriffen, wie viel
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