Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
der Präfekt eigentlich war. Ob die Medien, vor allem die Presse, ihn deshalb so oft ablichteten? Bisher hatte sie
immer geglaubt, es läge vor allem an Cibans knallharter, mittelalterlich anmutender Politik, die des Öfteren für Kontroversen in der katholischen Welt sorgte. Nicht zuletzt dank ihrer Bücher.
Sie bereute, dass sie sich nie, wie Ben, näher mit der Biografie des
Kardinals befasst hatte. Bisher war ihr Ciban immer wie ein seelenloser
Wächter des Glaubens erschienen. Doch vor ihr saß ein Mann aus
Fleisch und Blut, auch wenn er sich im Großen und Ganzen betont
förmlich gab.
Ob er jemals geliebt hatte?
Sie bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass sie angefangen hatte, ihn
anzustarren. Sie griff nach dem Wasserglas und trank hastig, um nicht
knallrot zu werden. Dass Ben sie fragend von der Seite musterte, machte
die Situation nicht angenehmer.
Glücklicherweise schien Ciban zu einem Entschluss gekommen zu sein.
Er griff zum Telefon und wählte eine interne vatikanische Nummer.
Sekunden darauf hatte er den Privatsekretär des Papstes, Monsignore
Massini, am Apparat und bat diesen um einen sofortigen Termin bei
Seiner Heiligkeit. Der Sekretär schien nicht einmal auf den Gedanken zu
kommen, das Ersuchen in Frage zu stellen. Wie es aussah, bat er den
Präfekten lediglich um einen Moment Geduld. Ein Moment, der
Catherine wie eine halbe Ewigkeit vorkam.
Als Ciban den Hörer wieder auflegte, hatte sie das Gefühl, Zeugin eines
historischen Ereignisses geworden zu sein. Und nicht nur das!
»Sie haben in zwanzig Minuten eine private Audienz bei Seiner
Heiligkeit, Schwester.« Der Präfekt deutete auf das Glas, das sie noch
immer in der Hand hielt. »Am besten, Sie trinken noch einen Schluck.«
35.
Catherine betrat das Zentrum des Apostolischen Palasts durch eine der
inneren Türen, nachdem Ciban sie durch ein Labyrinth aus Gängen,
Amtskorridoren und an zahlreichen Büros vorbei zu einem Aufzug
geführt hatte. Rinaldo hatte Ben zwischenzeitlich nach Hause gebracht,
daher betrat sie nun mit Ciban alleine den Aufzug, als die Tür aufglitt
und sich wieder schloss.
Ihre Gestalt spiegelte sich in der Metalltür. Ihr schulterlanges blondes Haar hing ihr ein wenig widerspenstig in die Stirn und die blauen Augen.
Sie trug einen dunklen Hosenanzug und keine Tracht wie zu den
Verhandlungen im Inquisitionspalast. Die aristokratische Erscheinung
Cibans – wie ein dunkler Engel stand er auf der anderen Seite des
Aufzugs – wirkte über die Reflexion seltsam beruhigend auf sie, obwohl
sie eher das Gegenteil hätte bewirken sollen.
Während ihrer Anhörung vor dem Tribunal hatte Catherine sich schon
einmal gefragt, ob der Kardinal gar selbst über außergewöhnliche
Fähigkeiten verfügte. Womöglich war er in medialem Sinne manipulativ.
Andererseits hätte sie es aufgrund ihrer Schulung sofort spüren müssen,
wenn er ihre Psyche auch nur im Ansatz berührt hätte. Oder etwa nicht?
Auf dem Weg hierher hatte sie fest damit gerechnet, dass Ciban ihr vor
der Privataudienz noch einige Instruktionen erteilte, doch nichts
dergleichen war geschehen. Seit sie sein Büro verlassen hatten, hatte er überhaupt kein Wort mehr gesagt, kein einziges, ihr dafür aber etliche
schwere Portale und Türen aufgehalten. Ihre Blicke trafen sich kurz, und Catherine hatte für eine Sekunde das Gefühl, zur Salzsäule zu erstarren, wie Lots Weib, was natürlich pure Einbildung war. Die glänzenden Aufzugstüren glitten auf, und sie traten hinaus auf den Flur zu den
päpstlichen Privaträumen. Catherine hätte es sich nie träumen lassen, je auch nur eine Zehenspitze in den heiligsten Bereich des Apostolischen
Palastes setzen zu dürfen.
Monsignore Massini, der Privatsekretär des Papstes, kam auf sie zu und
begrüßte sie. »Eminenz, Schwester. Seine Heiligkeit erwartet Sie bereits.
Bitte hier entlang.« Es war unübersehbar, dass den Sekretär eine gewisse Neugierde plagte, sicher auch deshalb, weil ihm klar war, dass er nicht
an dieser kurzfristig gewährten Audienz teilnehmen würde.
Massini klopfte leise an eine Tür, und was immer Catherine auch
erwartet hatte, es sah alles ganz anders aus. Das Privatbüro des Papstes war eines der schlichtesten, das sie je betreten hatte. Keine kostbaren
Bilder zierten die Wände, keine antiken Gegenstände schmückten den
Raum. Die deckenhohen, zweckmäßigen Bücherregale und der überfüllte
moderne Schreibtisch erinnerten weit mehr an ein
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