Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
das einundzwanzigste
Jahrhundert hinaus.«
Catherine wurde klar, dass sie vorerst nicht mehr erfahren würde.
»Denken Sie, es schadet der Sache, wenn Kardinal Ciban uns in die
Kapelle begleitet, Schwester?«, fragte der Papst.
Sie verstand sofort: Ciban sollte den Papst nicht nur bewachen, sondern
ihm vor allem auf seinen wackligen Beinen in die Kapelle helfen.
»Soweit ich weiß, spricht nichts dagegen, Heiligkeit.«
»Gut.« Der Papst erhob sich von seinem Lederstuhl und schaffte seinen
Leib mühsam an dem hohen rechteckigen Tisch vorbei. »Dann lassen Sie
uns keine Zeit verlieren, Schwester. Beten wir gemeinsam in der
Kapelle, und hoffen wir, dass Kardinal Benellis Plan, soweit er sie
eingeweiht hat, aufgehen möge.«
Sie verließen das Arbeitszimmer durch einen kleineren Vorraum,
passierten langsam den langen Flur, an dessen Ende der private Fahrstuhl des Papstes lag, und betraten unmittelbar rechts davor die päpstliche
Privatkapelle. Ciban half Leo, in der ersten Reihe niederzuknien.
Catherine kniete auf einem Betstuhl gleich daneben. Dann kehrte der
Kardinal zur hintersten der fünf Reihen zurück und postierte sich vor der geschlossenen Tür, vor der ein Gardist Wache hielt.
Sie fingen an zu beten, und bald darauf stellte sich dasselbe Gefühl ein, das Catherine schon in der Villa Benellis verspürt hatte: tiefe Ruhe und Kraft. Vor ihrem inneren Auge existierten die Mauern und das Dach des
päpstlichen Palastes nicht mehr. Sie sah direkt hinauf in den blauen,
wolkenlosen Himmel, in einen weißen Tunnel aus Licht, aus dem eine
Gestalt heraustrat: Benelli. Er sah anders aus, als sie ihn je erlebt hatte, und seine Aura war überwältigend. Catherine konnte sich nicht erinnern,
dass sie je etwas so unbeschreiblich Anmutiges gesehen hatte. Die
Lichtgestalt, die Benelli war, schwebte heran und lächelte. Dann berührte er den Papst und Catherine an der Stirn, ohne ein Wort. Sein Blick war
so klar, so durchdringend, so allwissend. Catherine verspürte eine tiefe Sehnsucht, mit diesem Wesen spirituell eins zu werden. Sie merkte
deutlich, dass es dem Papst kein bisschen anders ging.
Schließlich endete das Gebet, und Catherine atmete enttäuscht aus, als
hätte sie die ganze Zeit die Luft angehalten. Doch diesmal hielt der
Zustand des inneren Friedens in ihrer Seele an.
Ciban eilte herbei und half dem Papst, sich aufzurichten und Platz zu
nehmen. Leo saß da wie in Trance, minutenlang, und währenddessen
ging eine erstaunliche Verwandlung in ihm vor, eine Verwandlung, die
aus der Seele kam. Der Papst fand mehr und mehr zu seiner
ursprünglichen Form zurück. Nach einer Weile erhob er sich und wirkte
um Jahre verjüngt. Nun erkannte Catherine wieder den starken und
ausgeglichenen Menschenfreund in ihm, den sie über die Medien und bei
ihrer ersten Privataudienz kennengelernt hatte.
Ciban sah das Kirchenoberhaupt erstaunt an.
»Heiligkeit«, sagte sie ruhig, »jetzt sind wir wie der Plus- und Minuspol einer starken Batterie. Meine Energie wird einen gewissen Ausgleich
bringen und von Kardinal Benellis Energie getragen. Doch leider wird
dieser Schub nicht ewig vorhalten.«
»Wie viel Zeit bleibt uns, Schwester?«
»Das hat mir Seine Eminenz Kardinal Benelli nicht offenbart. Es hängt
davon ab, wie schnell sein Energieanteil wieder zu ihm zurückfließt und
wann der nächste Mord geschieht. Der Kardinal kann dieses Opfer nur
einmal bringen. Für den Augenblick jedenfalls ist das Gleichgewicht
zwischen dem Gremium und Ihnen rein energetisch wiederhergestellt.«
Der Papst nickte. »Ich verstehe.« Er wandte sich Ciban zu. »Am besten
ich kehre gleich wieder in mein Arbeitszimmer zurück.«
»Sind Sie sicher, Heiligkeit?«, fragte der Präfekt besorgt und runzelte die Stirn.
»Keine Sorge, Eminenz, ich bin mir ganz sicher. Ich muss die Zeit
nutzen, die mir bleibt. Kümmern Sie sich bitte um Schwester Catherine.«
»Wir hätten da noch etwas zu bedenken, Heiligkeit«, sagte der Präfekt
ruhig und deutete auf die junge Nonne.
»Schwester Catherine bleibt selbstverständlich im Palast«, erklärte Leo.
»Das habe ich nicht gemeint.«
»So?«
»Wer auch immer hinter den Morden steckt, wird erfahren, dass es Ihnen
besser geht. Und er wird sich fragen, warum, Heiligkeit.«
Der Papst erschrak. »Natürlich!« Er blickte Catherine an. »Wir müssen
für Sie eine geeignete Tarnung finden, wenn Sie hierbleiben.« Zu Ciban:
»Haben Sie eine Idee?«
»Nun …« Der Kardinal
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