Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
sagte Monti:
»Was denken Sie, was geschieht, wenn die Kurie davon erfährt?
Geschweige denn die gesamte Christenheit, wenn es uns schon
schwerfällt, all das zu begreifen und zu akzeptieren. Wir sind regelrecht dazu verdammt, das Geheimnis zu bewahren.«
»Auch sind wir an einen zweitausend Jahre alten Kontrakt gebunden«,
fügte Leo seufzend hinzu.
Monti konnte sich auch sehr gut vorstellen, was in Leo vorging. Dieser
Moment der Wahrheit war eine vertrackte Situation. Einige der
Großinquisitoren waren an diesem Punkt von ihrem Amt zurückgetreten.
Und nichts wäre Leo unangenehmer gewesen, als Ciban zu verlieren.
Der jüngere Kardinal hatte daraufhin von einem zum anderen geschaut,
einen neuerlichen Blick auf die Schriftrollen geworfen und schließlich
lapidar gemeint: »Entschuldigen Sie, aber ich muss mich erst einmal
setzen …«
Ein laut vernehmliches Räuspern holte Kardinal Monti aus den
verstaubten Archivräumen wieder in die Gegenwart seines Büros im
Staatssekretariat zurück.
»Eminenz«, hörte er die Stimme seines Assistenten, »der Wagen steht
bereit. Sie wollten noch einmal zu Hause vorbeifahren, bevor Sie sich zu dem Treffen mit Seiner Eminenz Kardinal Gasperetti begeben.«
Gasperetti …
Monti wurde aus dem alten Mann beinahe ebenso wenig schlau wie aus
Ciban und Benelli. Alle drei waren Abkömmlinge des Lux Domini,
einem Orden, dem er als altes Opus-Dei-Mitglied absolutes Misstrauen
entgegenbrachte. Wenn er sich nicht täuschte, hatte Benelli ihm sogar die Wahl zum Papst verwehrt.
Er holte innerlich tief Luft. Es gab Niederlagen, die verfolgen einen wie ein Fluch bis ins Grab. Doch das war nun Vergangenheit. Wenn man die
Augen und Ohren offen hielt, wenn man an sein Ziel glaubte, gab es
immer neue Mittel und Wege.
34.
Catherine, Ben und Rinaldo passierten die Kontrollen der
Schweizergarde und der Vigilanza. Der Monsignore parkte den Wagen
auf dem Parkplatz neben dem Palast der Inquisition gleich neben zwei
Limousinen und half Ben beim Aussteigen.
»Da wären wir«, sagte er. »Keine Ahnung, was Sie beide so zur Eile
treibt, aber ich hoffe, Sie haben einen guten Grund für Ihren abendlichen Besuch. Mit dem – Unfall hat es ja wohl weniger zu tun.« Rinaldo warf
Ben einen mitfühlenden Blick zu und stützte ihn. »Kommen Sie, wir
nehmen den Aufzug.«
Wenige Minuten später standen Ben und Catherine im Vorzimmer zu
Cibans Büro, nahmen auf zwei edlen Stühlen an der Wand Platz und
warteten, da der Kardinal, wie der Sekretär verkündete, noch in einer
Besprechung war. Rinaldo saß ihnen gegenüber und las in seinem
Brevier . Er hatte angeboten zu warten, um die beiden nach dem
Gespräch wieder sicher nach Hause zu geleiten. Vielleicht, so argwöhnte
Ben, wollte er aber einfach nur bleiben, um im Anschluss an das Treffen
zwei gerupfte Hühner zu sehen.
Es verging fast eine halbe Stunde, ehe die Tür zu Cibans Büro aufging
und der Kommandant der Schweizergarde in Begleitung des
Vigilanza-Kommandanten heraustrat. Beide wirkten äußerst konzentriert
und entschlossen, als hätten sie gerade einen Plan verabschiedet, dessen Umsetzung keinerlei Aufschub duldete. Ohne ein Wort passierten sie das
Vorzimmer und verschwanden hinaus auf den Flur.
Der Sekretär wandte sich an die Wartenden. »Sie können jetzt
hineingehen.«
Ben, dem für einen Moment völlig die Wirkung von Cibans Büro auf
Besucher entfallen war, stellte fest, dass Catherine ob der antiken,
mittelalterlichen und modernen Pracht etwas eingeschüchtert wirkte. Wie
hatte er das nur vergessen können? Natürlich hatte sie das Büro noch nie zuvor gesehen.
Ciban schaltete den Flachbildschirm aus, erhob sich von seinem Sessel
und bedeutete ihnen, auf den Sesseln gegenüber seinem Schreibtisch
Platz zu nehmen, wo gerade noch die beiden vatikanischen
Kommandanten gesessen hatten.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Es ließ sich leider nicht vermeiden. Wir mussten noch ein paar Unklarheiten beseitigen.«
Catherine nickte höflich, um zu signalisieren, dass sie die
Entschuldigung akzeptierte und den Beweggrund sehr wohl verstand.
»Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Arbeitspensum zurzeit enorm ist.«
»Es geht. Möchten Sie beide einen Kaffee oder Tee?«
Cibans Mimik ließ nicht erkennen, was er dachte. Doch Catherine war
sehr wohl aufgefallen, dass er weder Ben noch ihr die Hand gereicht
hatte. Seine Gegnerin saß gerade mal einen Schritt von seinem
Schreibtisch
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