Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
zeitgenössisches Büro
als an das private Arbeitszimmers eines Papstes, dessen Amt
zweitausend Jahre Geschichte in sich trug.
Leo blickte von der Akte auf, die er gerade studiert hatte. Die weiße
Alltagssoutane mit dem Zingulum und das weiße Pileolus standen ihm gut. Doch er sah müde aus, wie Catherine fand. Seine dunklen Augen
wirkten zwar intelligent, jedoch nicht ganz klar, und auch die
Körperhaltung besagte eher, dass er sich durch reine Willenskraft an der Arbeit und damit an diesem Schreibtisch hielt.
»Heiliger Vater«, sagte Catherine, nachdem das Begrüßungszeremoniell
durch Massini überstanden war und der Monsignore das Zimmer
verlassen hatte.
»Unser letztes Treffen ist gar nicht mal so lange her, Schwester
Catherine.« Der Papst bedachte sie mit einem Lächeln, seine Stimme
offenbarte echte Sympathie. »Was ist passiert, dass Seine Eminenz Sie
diesmal höchstpersönlich zu mir begleitet?« Sie nahmen in der
bequemen Sitzecke Platz.
Catherine atmete tief durch. »Ich denke, es ist am besten, wenn ich ganz von vorne anfange, Heiliger Vater. Es beginnt alles an dem Abend auf
Kardinal Benellis Empfang …«
Der Papst hörte ihr zu, vollkommen still. Catherine erzählte von dem
Treffen mit Benelli in der Kapelle der Villa und schließlich von ihrem
verrückten Traum, der sie nicht zur Ruhe kommen ließ und der sich am
Morgen noch einmal, und zwar weit intensiver, wiederholt hatte. Auch
Ciban war ganz Ohr. Er schien jedes ihrer Worte erneut in sich
aufzunehmen, und er beobachtete sie dabei ganz genau. Als sie ihren
Bericht beendete, zeigte sich der Papst zu ihrer Verblüffung kein
bisschen überrascht. Ja, er wirkte in gewisser Weise sogar erleichtert.
Leo blickte ihr in die Augen und bedankte sich. »Gut gemacht,
Schwester. Es gehört viel Mut dazu, sich mit solch einer Geschichte an
den Präfekten der Glaubenskongregation zu wenden.«
»Monsignore Hawlett hat mir gegenüber angedeutet, dass Seine Eminenz
uns weiterhelfen könnte.«
»Nun, Sie sind hier. Und dafür danke ich Ihnen.« Er wandte sich Ciban
zu. »Das ist ein weit größeres Zeichen, als wir erwartet haben, Eminenz.
Ich werde das Hilfsangebot von Schwester Catherine und Kardinal
Benelli annehmen. Es wäre der reinste Wahnsinn, darauf zu verzichten.
Zu viel steht auf dem Spiel.«
»Nach allem, was ich inzwischen über unseren verstorbenen Kardinal
Benelli weiß, wäre es sogar ratsam.« Ciban musterte Catherine. Seine
Augen schienen von innen heraus zu leuchten. »Sagen Sie, Schwester,
wo soll diese spirituelle Energieübertragung eigentlich erfolgen?«
Catherine fiel auf, dass der Kardinal gar nicht fragte, wie diese Übertragung funktionierte. Demnach schien er mit den Theorien der
Lux-Wissenschaftler, die die Physik der Materie mit der des Geistes in
Einklang zu bringen versuchten, hinreichend vertraut. Besonders jenseits der Materie war der Geist eine mächtige Kraft. Die wenigsten Menschen
ahnten, dass sie im Grunde Energiewesen waren, umgeben von einem
wahren Ozean von Energien. Alles war mit allem verbunden und durch
alles beeinflusst. Catherine besaß die Gabe, diesen energetischen Ozean
anzuzapfen, und Benelli würde ihre Gabe nun durch sein Talent
verstärken.
Sie erklärte: »Laut Kardinal Benelli ist es ganz einfach. Er sagte, er habe bereits alles vorbereitet. Seine Heiligkeit und ich sollten in der
päpstlichen Privatkapelle lediglich gemeinsam beten. Der Rest ergebe
sich dann wie von selbst, solange ich in den nächsten Tagen in der Nähe
Seiner Heiligkeit bliebe.«
»Das dürfte kein Problem sein«, sagte der Papst. »Wir werden ganz
sicher eine angenehme Bleibe für Sie in diesem Stockwerk finden.«
Ciban klopfte mit den Fingern auf die Armlehne. »Hat Kardinal Benelli
Ihnen auch erklärt, warum er nicht mit Seiner Heiligkeit über seine Pläne gesprochen hat?«
Aha, da kam wieder der Inquisitor hervor.
Catherine nickte und blickte dann von dem Präfekten zu Leo.
»Verzeihen Sie, Heiligkeit, aber da Sie kein medialer Mensch sind, war
Kardinal Benelli gezwungen, zuerst mit mir in Kontakt zu treten, bevor
er sich opferte und das Band zwischen Ihnen und ihm zerriss. Ich«, sie
zögerte, »habe mich gefragt, was es mit diesem Band und den Angriffen
auf Ihre Heiligkeit auf sich hat.«
Noch bevor der Papst darauf antworten konnte, erklärte Ciban: »Seine
Eminenz Kardinal Benelli hat einem Gremium angehört, das Seine
Heiligkeit berät. Dieses Gremium denkt weit über
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