Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
Vom Netzwerk:
hatten sich mit Fahnen und
    Transparenten auf dem Petersplatz eingefunden, blickten zum Fenster
    des privaten Arbeitszimmers des Papstes hinauf und beteten mit ihm das
    traditionelle Angelus .
    Der Meister zoomte die Szene auf dem Schirm näher heran, wählte einen
    Ausschnitt, der schließlich nur noch den Pontifex zeigte, ohne die
    Papstfahne, die vom Fenstersims herabhing, und ohne die
    Menschenmenge auf dem Petersplatz. Doch leider war die Übertragung
    zu schlecht, um Leos Gesicht genauer zu erkennen. Zu gerne hätte der
    Meister in die Augen des Papstes gesehen.
    Leo sprach über das Gute und das Böse in der Welt und sagte, dass das
    Gute am Ende über das Böse triumphieren werde. Die Lippen des
    Meisters verzogen sich bei diesen Worten zu einem zynischen Lächeln.
    Die alte Leier. Was wusste Leo schon über Gut und Böse? Das Böse
    hatte lange vor dem Guten existiert.
    Nach dem Angelus erwähnte der Papst noch die Seligsprechung eines
    Ordensmannes. Der Meister kannte ihn, und seiner Meinung nach hatte
    der Mönch die Seligsprechung nicht verdient, ebenso wenig wie Mutter
    Teresa. Dann drückte der Papst seinen Schmerz über eine
    Naturkatastrophe in Südamerika aus. Er betete für all die Menschen, die
    davon betroffen waren, die Opfer und die Bevölkerung. Die riesige
    Gemeinde der Gläubigen und Pilger auf dem Petersplatz schwenkte ihre
    Fahnen und betete mit dem Heiligen Vater. Der Meister verschob sein
    Gebet auf ein andermal.
    Als der öffentliche Auftritt des Papstes beendet war und sich das Fenster zum päpstlichen Arbeitszimmer schloss, schaltete der Meister den
    Fernseher aus und lehnte sich nachdenklich in seinem mit rotem Stoff
    bezogenen Sessel zurück. Er hatte den Papst nicht eine Sekunde aus den
    Augen gelassen, ihn genau beobachtet, jede Bewegung, jede Geste, jedes
    Wort. Leo hatte während des gesamten Auftrittes nicht einen einzigen
    Moment der Schwäche gezeigt, und das, obwohl drei Mitglieder seines
    Gremiums ausgeschaltet worden waren, trotz seines letzten schweren
    Zusammenbruchs. Tatsächlich hatte der Papst sogar wie das blühende
    Leben im Fenster gestanden, der Menschenmenge zugejubelt und mit ihr
    das Angelus gebetet. Das war ganz sicher keine Halluzination!
    Der Meister atmete tief durch, denn im Augenblick schien seine gesamte
    bisherige Arbeit umsonst. Doch dann gestattete er sich ein leises
    Lächeln. In gewisser Weise zollte er dem Papst und seinem Gremium
    Respekt. Durch diese Wendung, die er Leo gar nicht zugetraut hatte,
    stand der Meister gewissermaßen vor einem kleinen Dilemma. Einen
    Augenblick lang überlegte er sogar, die Mission in Kalkutta
    abzubrechen, bis er die Hintergründe von Leos plötzlicher Genesung
    kannte, doch dann entschied er sich dagegen. Sollten die Dinge ruhig
    ihren Lauf nehmen.
    Im Geiste ging er noch einmal die Liste der Namen des päpstlichen
    Gremiums durch. Sylvester, Isabella, Darius, Silvia, Thea …
    Es gab immer einen Weg. Es gab immer eine Lösung.

39.

    Catherine, inzwischen in der Tracht der Nonnen des päpstlichen
    Haushaltes, mit einer dicken Hornbrille und einer ordentlichen Schicht
    Theaterschminke sowie einer Warze über der Lippe versehen, saß mit
    Kardinal Ciban und Monsignore Massini im Arbeitszimmer Seiner
    Heiligkeit. Die drei warteten, bis Leo, auf einem Podest am Fenster
    stehend, das traditionelle Angelus mit der Gemeinde auf dem Petersplatz
    beendet hatte.
    Catherine hatte den gesamten öffentlichen Auftritt des Papstes über
    einen der beiden Monitore in dessen Privatbüro verfolgt. Die Menschen
    liebten ihren Papst, so viel stand fest, denn sie hörten ihm völlig
    hingerissen zu. Sie liebten ihn mindestens so sehr, wie sie einst Johannes XXIII. oder Johannes Paul geliebt hatten. Das konnten nicht einmal Leos
    Gegner abstreiten. Dummerweise wusste damit nun auch der Feind ganz
    offiziell über den hervorragenden Gesundheitszustand des Heiligen
    Vaters Bescheid.
    In der letzten Nacht hatte Catherine einen weiteren Traum gehabt, in
    dem Benelli ihr begegnet war, und dieser war ebenso lebendig und
    mitreißend gewesen wie der erste. Sie fühlte sich ganz und gar nicht
    wohl bei dem Gedanken, dass der Plan des Kardinals in erster Linie
    darin bestand, den Gegner herauszufordern und zu einem Fehler zu
    verleiten, zumal ihnen nur wenige Tage blieben, um den Mörder dingfest
    zu machen. So lange würde es nämlich dauern, bis Benellis zusätzliche
    Energie für Catherine versiegte und sie letztendlich mit der ihren alleine

Weitere Kostenlose Bücher