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Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
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erst dann in die Kolonie, wenn
    ihre Körper schon verstümmelt und von Geschwüren bedeckt waren,
    wenn die Dorfgemeinschaft sie längst ächtete und verstoßen hatte, und
    so lebten in Shanti Nagar viele Menschen mit leprabedingten
    Behinderungen.
    Dass Shanti Nagar überhaupt existierte, verdankte die »Stadt des
    Friedens« dem Mut und dem Tatendrang eines einzigen Menschen:
    Agnes Gonxhe Bojaxhiu, der späteren Mutter Teresa, für die ein Gebet
    ohne Tat kein wirkliches Gebet war. Tätiger Glaube war Liebe, und
    tätige Liebe war Dienst. Schwester Silvia hatte viele Jahre an Mutter
    Teresas Seite gearbeitet und deren unvergleichbare Hingabe bei der
    Pflege von Kranken und Sterbenden bewundert. Der »Engel der Armen«,
    wie die Menschen aus dem reichen Westen sie noch heute, nach ihrem
    Tod, nannten.
    Oftmals hatte Schwester Silvia Mutter Teresa auf ihren Wegen durch die
    engen und schmutzigen Gassen der Slums begleitet, mit den
    notwendigsten Medikamenten ausgestattet, um den Kranken zu helfen.
    Dabei hatte sie, ohne dass es der Älteren je bewusst geworden wäre, von
    den starken Glaubenszweifeln erfahren, die Mutter Teresa gequält hatten, und das lange bevor die Öffentlichkeit von der Korrespondenz der
    katholischen Missionarin mit ihren geistlichen Begleitern erfahren sollte.
    In dieser Korrespondenz hatte Mutter Teresa von einer tiefen Leere und
    Dunkelheit in ihrem Innern gesprochen, davon, dass sie keinen Glauben
    mehr hatte und dass sie es kaum wagte, diesen Gedanken auszusprechen.
    Von Gott verlassen hatte sie sich gefühlt, doch trotz all ihrer Zweifel, all ihrer Qual, hatte sie ihr Lächeln nie verloren, ebenso wenig wie ihre
    außergewöhnliche Hingabe an die Ärmsten der Welt.
    »Wenn ich jemals eine Heilige werden sollte«, hatte Teresa einmal
    gesagt, »dann ganz gewiss eine ›Heilige der Dunkelheit‹. Ich werde
    fortwährend im Himmel fehlen, um für all jene ein Licht zu entzünden,
    die auf Erden in Finsternis leben.«
    Schwester Silvia seufzte innerlich, denn das waren jene Momente
    gewesen, in denen sie nahe daran gewesen war, den heiligen Eid zu
    verletzen, mit dem sie dem Papst und dem Gremium gegenüber
    verpflichtet war. Wie gerne hätte sie damals Teresa »bewiesen«, dass
    Gott sie niemals verlassen hatte, nicht eine Sekunde, ganz im Gegenteil.
    Er hatte Mutter Teresa vielmehr Silvia und all die anderen Helfer zur
    Seite gestellt. Niemals war die Missionarin von Gott verlassen und allein gewesen, auch wenn sie sich in ihrem Innern so gefühlt hatte. Doch
    Schwester Silvia hatte das Dilemma ihrer Weggefährtin nur zu gut
    verstanden. Ganz gleich wie hart Teresa gearbeitet hatte, ganz gleich wie sehr sie für die Ärmsten der Armen gekämpft hatte, das Elend in den
    Straßen Kalkuttas hatte nie ein Ende, sondern stetig zugenommen.
    Schwester Silvia trat durch das Eingangstor der Kolonie und blickte auf
    einen dürren, verstümmelten Menschen, fast noch ein Kind.
    Das Mädchen war viel zu schwach, um es ohne Hilfe bis zur
    Krankenstation zu schaffen. Die Verwandten hatten die Kranke in ihrer
    Verzweiflung hier abgelegt, in der Hoffnung, dass sie wenigstens hinter
    den Toren der Kolonie eine Chance haben würde zu überleben. Das
    erkannte Schwester Silvia daran, dass man dem Mädchen ein Stück Brot
    für die Wartezeit mitgegeben hatte und etwas Wasser. Vermutlich würde
    die Kleine fortan sogar ein besseres Leben führen als ihre Eltern und
    Geschwister in der Stadt. Doch leider hatte man damit gewartet, bis das
    Mädchen ein Krüppel war.
    Schwester Silvia berührte die Patientin, streichelte ihr über den Kopf,
    tröstete sie und bemerkte ein Leuchten in den dunklen Augen. Dann hob
    sie die Kleine hoch, als wäre sie so leicht wie eine Feder.
    »Wie heißt du, mein Kind?«, fragte sie.
    »Asira«, antwortete das Mädchen zögernd und begegnete ihrem Blick.
    »Asira … ein schöner Name!«
    Schwester Silvia gab der Kranken einen Kuss und ließ sich ihre
    Überraschung nicht anmerken. Soweit sie wusste, war Asira ein
    arabischer Name, und er bedeutete »die Auserwählte«.

38.

    Rom, Vatikan, Apostolischer Palast

    Der Meister verfolgte die Sendung auf einem mittelgroßen
    Flachbildschirm in seinem Arbeitszimmer im Vatikan. Die Sendung
    wurde live von einem katholischen TV-Sender übers Internet übertragen,
    und sie zeigte etwas, das eigentlich völlig unmöglich war: einen vor
    Energie und Lebensfreude strotzenden Papst beim Gebet mit den
    Gläubigen und Rompilgern. Zigtausende

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